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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Grande schnarrte: »Das Standrecht ist proklamiert. Die feige Bande feuert ja aber keinen Schuß ab und so gibt's leider kein Blutvergießen.«
    Otto nickte ihm geringschätzig zu: »Ob Sie dafür schwärmen würden, wenn Sie mitten drin säßen, ist eine andere Frage. Wir beiden wählten ja das bessere Teil der Tapferkeit und flanieren hier fern vom Schuß. Wozu unnütz seine Haut zu Markte tragen! Na ja, meinen alten Bekannten Schramm hat Wrangel auch schon am Wickel. Ob er jetzt noch so forsch tut? Der sogenannte ›passive‹ Widerstand der Herren Berliner scheint mir nur zeitgemäße Umschreibung für das einsilbige Wörtchen Angst. Da zeigten freilich die Wiener andere Courage.«
    »Das Scheusal Robert Blum hat der Windischgrätz auch forsch erschießen lassen. Kerl soll sozusagen tapfer gestorben sein«, bemerkte der gleiche Grande, der vorhin hatte auffahren wollen: »Wie meinen Sie das?«, aber bei beschwichtigendem Zuraunen »das ist Bismarck-Schönhausen«, betreten den Kopf hängen ließ.
    »Schade. Ein anständiger Mensch, verrückter Idealist. Übrigens war Blum als Abgesandter des Frankfurter Parlaments eigentlich immun, und Fürst Windischgrätz hat nicht ganz korrekt gehandelt.« Otto drehte sich auf den Hacken um und ging höflich grüßend davon. Diese Leichenbeschauung und das triumphierende Halali von Leuten, die selber nie mitgejagt hatten und bisher hübsch zu Hause saßen, fiel ihm ziemlich auf die Nerven. Er hatte schon Anfang November sich nach Berlin gewagt und seine Adresse, »Goltz, Leipziger Platz 14«, offen angegeben, als der König noch nicht zum Äußersten schreiten wollte und Berlin einrichtiges Rebellenlager schien. An Mut hatte es ihm also nicht gefehlt. Der arme Premier, Graf Brandenburg, ein illegitimer Sprößling Friedrich Wilhelms II., ein ritterlicher Herr, der sich schon zur Zeit Yorks verdient machte, versicherte ihm damals, der König werde nicht nachgeben. Er hatte nicht recht daran geglaubt, um so größer die freudige Überraschung. »Haben Sie eine Ahnung von solcher Unverschämtheit?« unterrichtete ihn nachher Brandenburg. »Als Majestät, nach Überweisung der Adresse mit dem Mißtrauensvotum, den Rücken wandte, rief ihm der Jude Jacoby nach: ›Das ist das Unglück der Fürsten, daß sie die Wahrheit nicht hören wollen.‹ Jede Ehrerbietung ist geschwunden.«
    Bismarck lachte bitter. »Die Wahrheit nicht hören wollen, ist eine allgemeine menschliche Schwäche. Ich habe mir sagen lassen, das kommt besonders häufig bei sogenannten Volksvertretern vor in der Hitze des Gefechts. Die Wahrheit nicht hören können, mag ja bei Hofe passieren, wenn Schmeichler und in Watte gewickelte Günstlinge das Ohr des Herrschers belegen. Aber Volksschmeichler sind noch schwerhöriger. Denn daß sie die Wahrheit gut hören können, wenn Kugelwechsel bevorsteht, zeigen uns die National-Verunruhten, die sofort ohne Sang und Klang mit Sack und Pack das Weite suchten.«
    »National-Verunruhten, hohoho, köstlicher Witz!« amüsierte sich der halbe Hohenzoller. »Der v. Unruh soll sich zum Teufel scheren. Die Stadtverordneten unserer Haupt- und Residenzstadt haben sich auch gnädigst unterworfen, dank's ihnen der Henker. Nun ist's perfekt, der Bruch mit der Revolution.«
    »Ganz vorüber ist die Sache nicht, die andern Städte machen Schwierigkeiten. Gerlach schreibt mir, daß in Magdeburg die Hölle los sei, in Danzig machen sie auch Dummheiten. Der König ist außer sich, wie mir Manteuffel sagt.«
    Er aß zu Abend beim alten Savigny und fuhr dann heim, des vagabundierenden Trubels satt, voll Sehnsucht nach Hannas Kamin, um behaglich zu plaudern. »Mein süßer Engel«, war die ständige Anrede seiner Briefe an die geliebte Frau, und sein Fräulein Tochter ließ er immer zärtlich grüßen. Auf seiner Heimfahrt dachte er an seine letzte Unterredung mit dem König, der ihn zur Tafel zog. Die Königin zeichnete ihn aus und ließ ihn von ihrem Nähtisch einen Erikazweig pflücken, den er an Johanna schickte, die auf eine Hofdame Frl. v. Marwitz spaßhafte Eifersucht markierte. Der König hielt nach gewohnter Weise eine stundenlange Standrede an seine lieben Getreuen. »Versichern Sie alle Gutgesinnten, daß ich zwar gegebene Verfassungsversprechen unverbrüchlich halte, doch die Rechte der Krone von jetzt ab konsequent verteidige. Jedes Schwanken würde mich und das Land vollends in den Abgrund der Anarchie stürzen.« – Ob die Festigkeit anhält? Wie schwer ist doch das Herrschen

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