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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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verschwinde wie die Wurst im Spinde!« Unter tumultuarischem Toben und Johlen trank der Hüne gelassen sein Glas leer und schlug es dann mit raschem Auftakt dem Majestätsbeleidiger buchstäblich auf dem Schädel entzwei. Glassplitter flogen umher, der Mann fiel blutend und schreiend auf die Diele. »Kellner, was kostet das zerschlagene Glas?« brach Ottos ruhige Stimme die atemlose Stille. Er legte ein Geldstück hin und ging gelassen davon, gefolgt vom Beifall wackerer Spießbürger. »So muß es kommen, dem ist recht geschehen.« Denn der Mensch huldigt immer der Stärke. Gleichmütig erzählte Otto auf dem Heimweg dem verdutzten Thadden eine Anekdote vom französischen Diplomaten Persigny, der soeben den weiblichen Reizen des Berliner Hofes allzu deutlich sein Interesse ausdrückte. »Handgreiflichkeit ist aber heut zeitgemäß.« –
    Einer Wiederwahl in den neuen Landtag, der in Brandenburg tagen sollte, konnte er sich nicht entziehen. Trotz der Bajonette »Papa Wrangels«, die dieser alte Nußknacker in den Berliner Straßen bei Zapfenstreich und Fahnenwacht hochtrabend spazieren führte, besaß die Demokratie im Lande noch beträchtliche Macht, auch in allen Kleinstädten der Mark. Otto hatte zwar keine Aussicht, in seinem eigenen Kreis gewählt zu werden. Er schob einen Verwandten seiner Frau, den Strafanstaltsdirektor Barschall aus Brandenburg, vor, vermählt mit Franziska von Puttkamer-Wersin. »Vor unserem Stadtrat Gärtner darfst du aber reinen Mund halten, der würde vor Schreck ohnmächtig«, schärfte er Johanna ein. »Ich selbst gehe zu Fränzchen ins Quartier nach Brandenburg, wo ich zur Wahl kommen soll. Gegen mich steht der bekannte Ziegler. Meine Chancen sind nicht schlecht.« Der Wahlkampf regte ihn auf, doch mußte er anerkennen, daß die Gegenpartei sich anständig benahm. »Sie sind durch!« frohlockte ein Genthiner Pastor, der kräftig agitiert hatte. »Wie wird Herr v. Briest sich freuen!« »Mir wäre lieber, daß meine Wähler sich freuen. Hochwürden erinnern mich an den Chefredakteur Wagener von der Kreuzzeitung, der auch immer optimistisch denkt.« – »Hören Sie doch nur, wie die Leute singen ›Heil dir im Siegerkranz!‹«
    »Ja, sie haben schon viel in der Krone und machen mir Kopfweh«, wehrte er gleichgültig ab, indem er bei einer blakendenLampe den Brief Johannas las und von kochendem Teewasser und netten Eiern träumte. »Wenn aus dem schrecklichen Gewühle ein süß bekannter Ton mich zog«, zitierte er leise Goethe. –
    Die Thronrede bei der Landtagseröffnung enthielt die übliche Unklarheit. Bezüglich der deutschen Reichsverfassung blieb Beistimmung aller deutschen Potentaten vorbehalten. »Dann bleibt natürlich alles beim alten,« grinste Präsident Gerlach befriedigt, »denn Österreich und seine Klienten lassen sich auf die Frankfurterei nicht ein.« Otto schwieg dazu und wollte mit der Sprache nicht heraus. »Bei Ihnen wird man auch nie klug, woran man ist.«
    »Das Preußenvolk fühlt jedenfalls keine Nötigung zu nationaler Wiedergeburt nach dem Kaliber der Frankfurter Theorien, darin sind wir einig. Das Heranziehen der englischen und französischen Revolution ist ganz verkehrt. Erstere strebte nach Freiheit, letztere nach Gleichheit. Jeder englische Proletarier hat männliche Unabhängigkeit, anerkennt aber die höhere soziale Stellung eines Gentleman. Der französische Arbeiter wird grundsätzlich unhöflich gegen jeden, der einen besseren Rock trägt. Der englische freie Mann ist stolz genug auf den eigenen Wert, um sich sozialen Standesunterschied gefallen zu lassen. Französische Gleichheit aber ist die Tochter von Neid und Habgier. Seit 60 Jahren voll Blut und Aberwitz jagt dies begabte Volk einem Phantom nach, das sich nie erhaschen läßt, denn die Menschen sind nicht gleich. Die deutsche Demokratie aber nimmt sich nicht die stammverwandten Briten zum Wuster, sondern will Französisches uns einimpfen, als hätten wir die Pocken und brauchten ein Gegengift. Die Frankfurter Verfassung will die Abschaffung aller Titel aushecken, da kann man sich nicht wundern, daß der König sich vor solchen ekligen Dünsten die Nase zuhält.«
    »Bravo, so lob ich Sie. Und die ›Kreuzzeitung‹ macht prächtige Fortschritte, die sagt mal gründlich die Wahrheit.«
    So gründlich, daß Expräsident v. Unruh den Schönhauser eines Tages beiseite nahm. »Ein Wort, wenn ich bitten darf. Sie stehen diesem Organ sehr nahe. Wie können Sie mit Ihrem Ehrgefühl verantworten,

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