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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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daß dessen Spalten von Lügen und Verleumdungen überfließen, nicht mal anständige Damen verschonend. Sie wissen, was ich meine.«
    Otto verfärbte sich leicht. »Mir ist das auch zuwider, doch man sagte mir, bei solchem Ringen auf Leben und Tod könne es nicht anders hergehen.«
    »Wer solche Waffen braucht, besudelt sich selbst. Sie zucken die Achseln? Muß ich daraus schließen, daß Sie wenig skrupulös sind, nach dem Satz: Der Zweck heiligt die Mittel?«
    »Schließen Sie, was Sie wollen, Herr v. Unruh. Ein Jesuit bin ich nicht, aber auch nicht mehr voll Milch frommer Denkensart. Á la guerre comme á la guerre! «
    In der Tat machte sich eine ihm früher fremde Verbissenheit geltend. Ganz Parteimann geworden, ließ sich der Abgeordnete von West-Havelland von blinder Subjektivität anstecken, womit damals politische Gegner sich aufrichtig als dumm oder schlecht oder beides zusammen haßten. Er versprach, »die gelösten Bande des Vertrauens zwischen Krone und Volk neu zu knüpfen«, aber bewies selbst so wenig Vertrauen, daß er gegen Aufhebung des Belagerungszustandes sprach. Wenn die Liberalen über »Junkerparlamente« und »General Brennus«, der sein Schwert in die Wagschale werfe, zu toben anfingen, hielt er ihnen vor, Volk sei ein schlüpfriger Begriff, »meist eine Masse beliebiger Individuen, die man zur eigenen Meinung bekehrte«. Von Amnestie für politische Vergehen wollte er auch nichts wissen, der König habe bloß Rebellen begnadigt. »Rebellen!« schrie die Linke der Kammer auf. »Ja, meine Herren, Rebellen!« wiederholte er mit grimmiger Stimme und Geste, so daß er drohende Fäuste und wütende Ausrufe erntete. Mit Zornschärfe fuhr er fort: Keine parlamentarischen Majoritäten könnten so getrennte Weltanschauungen vertreten, wonach den einen ein Agitator als edler Wahrheitsbürge, den andern als Verbrecher gelte. Der Gott der Schlachten werde die eisernen Würfel werfen, und die Sentimentalität, die in jedem besoldeten Barrikadenkämpfer einen Märtyrer verehrt, wird zuletzt mehr Blutbäder verschulden, als eine strenge Justiz.
    »Er schnarrt wie ein Kriegsgericht!« heulten die Feinde, und Otto unterstrich dies noch, indem er laut und offen äußerte: »Man muß sechs Trommler auf die Ministerbank setzen und jede Interpellation mit Trommelwirbel betäuben.« Zu Gerlach, der ihn aufhetzte, sprach er von Auflösung der Kammer, bis sie vernünftig werde. »Die läßt sich leichter mobilisieren als eine Armee.« Der blutdürstige Ton, der sich beiderseitig einbürgerte, verführte einen Abgeordneten der Linken zu dem freundlichen Vorschlag: »Wir werden das Leben des Abgeordneten von Westhavelland schonen, dessen höfliche Formen wir alle anerkennen, wenn er seinerseits den unter uns nennen will, den er schonen würde, bekäme er die Oberhand.« Otto erwiderte schlagfertig, das Anerbieten sei ungleich, denn die Linke werde nie regieren, und käme es dazu, dann wäre das Leben so unerträglich, daß er nicht geschont sein wolle. »Nein, nein, höflich bis zur letzten Sprosse der Leiter, aber gehängt wird doch.« Dieser blutige Humor löste die Spannung in allgemeinem Gelächter.
    Am Jahrestag des 18. März besuchte er Berlin, wo sich Veteranen der Befreiungskriege, Berliner Landwehroffiziere und die in die Kammer gewählten Offiziere zu einem Bankett vereinten. Viel Toaste, Gesang, Hurras, dann lud ihn Bernhard v. Puttkamer, den er bei seiner Schwester traf, zu einem Liebesmahl in die Kaserne ein. »Beps, ich tu's ungern, der viele Weinsteigt mir zu Kopf. Nun, Malle, was hast du für Schmerzen? Arnim sieht aus wie Regenwetter.«
    »Wir haben ein Abkommen auf drei Partien Whist jeden Nachmittag, aber er ist so ungefällig –«
    »Nicht sechs zu spielen als gehorsamer Ehemann. Walle ist immer übler Laune.«
    So geht das Alltagsleben ungestört seinen Gang, und die Politiker bilden sich ein, die ganze Welt stehe in Flammen! Berlin sieht aus wie alle Tage. So geht's mit den Haupt- und Staatsaktionen! Auf der Rückfahrt begegnete ihm sein Widersacher Unruh in Genthin und erkundigte sich teilnehmend: »Ich habe gehört, daß es Ihrem Kindchen schlecht geht und hoffe recht sehr, daß Ihnen ein solcher Verlust erspart bleibt.«
    »Die Gefahr ist schon vorüber, doch sage ich Ihnen meinen herzlichen Dank für Ihre Liebenswürdigkeit.« Ja, ja, so ist's, die Privat- und Familiensachen regieren im Leben unter ordentlichen Leuten. Ist das eine Mahnung Gottes, von meiner öffentlichen Heftigkeit

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