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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Reichsverfassung mit Stimmenmehrheit durchging. Seine Voraussicht hatte recht behalten, der König balancierte wieder auf dem Seil seines Ja und Nein, auf die Gefahrhin, sich politisch den Hals zu brechen. Erst lenkte er überraschend ein, Zirkulardepesche an alle preußischen Gesandten verhieß seine Bereitwilligkeit nach gütlicher Vereinbarung mit den Regierungen. Und siehe da, 28 von den fürstlichen »Obrigkeiten« boten die Hand. Daß Österreich, Bayern, Württemberg, Sachsen, Hannover nicht mitmachen wollten, lag auf der Hand. Doch das deutsche Volk übte einen starken Druck in den ehemaligen Rheinbundstaaten, und Österreich hatte selber alle Hände voll zu tun, um sich in Ungarn und Italien über Wasser zu halten.
    Der Abgeordnete v. Vincke als Berichterstatter der Dringlichkeitskommission erhob sich. »Ich fordere den Herrn Ministerpräsidenten auf, durch unumwundene Erklärung über die Ansicht der Regierung der Unsicherheit ein Ende zu machen.« Brandenburg verlas unter atemloser Spannung eine Kundgebung: Das Ministerium könne dem König die Annahme der Frankfurter Verfassung nicht raten, da bei der zweiten Lesung die Einwände der Regierung unberücksichtigt blieben und sogar schädliche neue Änderungen dem Entwurf zugefügt seien. Unter heftigem Murren der Majorität begründete nun der Abgeordnete Bismarck-Schönhausen seinen Antrag, zur Tagesordnung überzugehen. Schon anfangs erregten seine Ausdrücke »Oktroyierungsgelüste«, »Untertanen« stürmische Unterbrechungen, Heiterkeit und Glockenaufschläge des Präsidenten Schwerin. Mit beißender Ironie stellte er fest: »Mag in Anhalt-Dessau oder da, wo der morgenrötliche Glanz der mecklenburgischen Freiheit strahlt, konstitutionell sein, was da will, hier ist nur das, was auf der preußischen Verfassung beruht.« Seine im einzelnen sehr begründete Kritik einer Reichsverfassung, die ganz sonderbare Bestimmungen über Wahlmodus und Vertretung der Kleinstaaten zuungunsten Preußens enthielt, gipfelte in der heiteren Enthüllung: »Liechtenstein, was so viel Einwohner hat wie Schöneberg, würde denselben Einfluß ausüben, als preußische Regierungsbezirke mit 400 000 Einwohnern.«
    Dem Kaiser von Gnaden der Frankfurter Verfassung werde zugemutet, etwa Österreich oder Bayern als Rebellen zu behandeln, wenn sie nicht jeden Paragraphen durchführen wollen. »Das ist es wohl, wohin uns die Herren von der Umsturzpartei haben wollen.« Die Demagogen würden vor den Kaiser mit dem Reichswappen hintreten: Glaubst du, dieser Adler sei dir geschenkt? Zwei Herren Gebrüder Simon hätten in der Zeitung entschieden beansprucht, daß sie nur das ganze Deutschland wollen. Er verbreitete sich über diese noble Großartigkeit der Simone, die für ihn etwas Beunruhigendes hatte. Aus taktischen Gründen zog er auch den Krieg gegen Dänemark herbei, wo man aus Unterwürfigkeit gegen die Frankfurter Doktrinäre die Revolution verteidigt habe, zum Ruin der preußischen Küsten, damit die Frankfurter »gemütlich in der Zeitung lasen, wie weit hinten in Dänemark die Völker aufeinander schlagen«. Die mit witzigen Erörterungen gespickte Rede enthielt den Grundsatz: »Die deutsche Einheitwill jeder, sofern er nur deutsch spricht, mit dieser Verfassung will ich sie nicht «, und schloß: »Das Gold dieser Kaiserkrone soll erst durch Einschmelzen der preußischen Krone gewonnen werden, und ich habe kein Vertrauen, daß der Umguß in diese Form gelingen wird.«
    Diese gesunde staatsmännische Vernunft wirkte leider wie Gift auf den unglücklichen Monarchen, der stets aus Verzagtheit in maßloses Machtgefühl, aus schlaffem Zögern in übereilte Hitze verfiel. Er löste die Kammer auf und drohte in einer diplomatischen Note dem Frankfurter Parlament, jetzt würden die Regierungen selbst eine neue Verfassung den deutschen Völkern aufzwingen. Bismarck entsetzte sich über solche Torheit und vergrub sich in Reinfeld, um allem Wust zu entrinnen. Etwas Erzdümmeres als die Einbildung, 35 »Obrigkeiten« unter einen Hut bringen zu können, wobei sie sich freiwillig zugunsten des verhaßten Preußen vereinen sollten, ließ sich nicht denken. Das war gerade das Verfängliche, daß Preußen überhaupt keinen anderen Einheitsfreund hatte, als eben die Demokratie selber, das deutsche Volk. Durch diese brutale Zurückstoßung drängte man aber gewaltsam die Nation in das Wirrsal an den Rand des Abgrundes zurück. Kaum überstand man die Angst vor der Revolution, als man sie, die

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