Bismarck 01
Würfelbecher. So bemerkte er bei anderer Gelegenheit, indem er für erbliche Pairs im Herrenhause eintrat, wie imenglischen Oberhaus. Nur so steuere man die Verfassung zwischen der Szylla eines wohlwollenden Säbelregiments und der Charybdis jakobinischer Übergriffe hindurch, als nötiger Ballast, der vom Kiel her den Segelschwung mäßige, aufgeblasen von jedem Wind des Zeitgeistes.
So verliehen seine geistreichen Gleichnisse den von scharfem staatsmännischen Verstand getragenen Ausführungen reizvolle Anschaulichkeit. Doch außerhalb seiner eigenen Partei, die ebensogern die Reden von Stahl und Gerlach hörte, und die ohnehin mit allem fürlieb nahm, was der Parteigeist ihrer Clique eingeben konnte, machten seine Reden wenig Eindruck. Um so mehr, als er oratorische Künste verschmähte und kein »Redner« im gewöhnlichen Sinne war, kein komödiantischer Kulissenreißer politischer Theater.
Aus der Harzpartie nach Arnstädt wurde nichts, obschon er dort gern wehmütige Erinnerung aufgefrischt hätte an die nahen Wälder. Dagegen erschien er zur Domfeier in Brandenburg, wo neunhundert Jahre früher das Kreuz gegen die Wenden errichtet wurde. Als Abgeordneter der Stadt ging er in der Kirche keck voran neben den Prinzessinnen, unter denen man die hohe Dame von Babelsberg vermißte. »Ist in Weimar«, raunte Hofmarschall Voß ihm zu, und Gerlach erläuterte: »Wohl wieder etwas Fronde.« Der König sprach ihn bei der Tafel freundlich an: »Sie vertreten würdig meine alte Kurstadt«, über die er sich mit üblicher salbungsvoller Beredsamkeit verbreitete. Dagegen fuhr er den Oberpräsidenten Patow an, den er bisher keines Wortes würdigte: »Herr, stehn Sie links, so stimmen Sie in drei Teufelsnamen links, von meinen Dienern aber verlange ich, daß sie zu mir stehen, verstanden?« Bei atemlosen Schweigen konnte man die Betrachtung anstellen, daß der König noch immer ganz den Absolutisten spielte, denn der Oberpräsident hatte natürlich nichts Pflichtwidriges getan, sondern nur gewisse liberale Stimmungen gezeigt. Anderseits wurde dann doch wieder offenbar, daß die höheren Beamtenkreise innerlich auf Seite des gemäßigten Liberalismus standen, dem ja auch die Gattin des Thronfolgers huldigte.
Otto hatte gewagt, der Königin mehrere Schulzen seines Wahlkreises als Königstreue vorzustellen, an welche sie mit ihrer liebenswürdigen Herzensgüte einige warme Worte richtete. Die ehrlichen Bauern umarmten in ihrer schluchzenden Rührung herzhaft ihren Abgeordneten, was bei Hofleuten Befremden erregte, die von des Schönhausers Hochmut gehört hatten. »Ik liebe dir, mein Sohn«, versicherte Papa Wrangel, diese widerliche Karikatur Blüchers, und gab dann einer Hofdame einen väterlichen Schmatz. Ob Otto sich gerade von dieser Verkörperung altpreußischen Kriegertums viel versprach, blieb sein Geheimnis.
Ein General mit Ordenssternen trat an ihn heran: »v. Rochow, Gesandter in Petersburg. Freut mich ungemein, Ihre Bekanntschaft zu machen, verehrtester Herr v. Bismarck. Ihr Rufdrang bis zu uns. Ihre Majestäten der Zar und die Zarewna, unseres Monarchen hohe Schwester, trugen mir allergnädigst auf, Ihnen viel Schönes zu sagen. Patow vorhin ... der sich duckte wie eine Ente bei Gewitter ... da freut man sich, Ihre aufrechte Gestalt zu sehen.« Otto drückte seine Erkenntlichkeit für die Gnade der russischen Herrschaften aus und fragte vorsichtig, ob man in Petersburg mit dem Gang der Dinge zufrieden sei. »Nicht immer. Unter uns, es weht an der Newa manchmal ein eisiger Wind. Der allergnädigste Zar beurteilen unsere Lage etwas ... russisch. Er ist tief indigniert, bei den Deutschen, die er für bescheidene geduldige Untertanen hielt, so viel Jakobinerei zu finden. Eine gewisse Hinneigung zu Österreich ist unverkennbar, ich sage dies im tiefsten Vertrauen.« Wundert mich, daß er dies sah, dachte Otto. Sonst merken doch unsere Diplomaten nicht die offenkundigsten Tatsachen. Die Herrscher aller Russen und aller Kroaten passen eigentlich zueinander, Österreich wird immer mehr slawisch, mit seiner deutschen Bestimmung ist's nicht weit her.
Er fuhr, weil in der Nähe, nach Schönhausen hinüber und dachte wehmütig an Hanna, als er über vergraste Steige dahinwandelte. Mit ihr ruhig zu Hause sitzen, was ist daneben alle Gunst der Potentaten! Jetzt ließ er nicht locker, dies Hundeleben ohne Hausfrau nahm ein Ende, sie kam nun endlich in seine Arme in die Behrenstraße.
Daß die Kammer schon wieder Schwerin und
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