Bismarck 01
dazu eingeladen, wohnte er einem Kavalleriemanöver bei, wo sechs Regimenter gegeneinander ritten. Trompeten schmetterten, Scheiden und Säbel und Zaumzeug rasselten, und ob man auch viel Staub schluckt, es ist was anderes als Aktenstaub. Die schnelle Bewegung der Massen, der Glanz ihrer Rüstungen gaben ein Bild von Kraft, während die Kammer – o je! Das ist wie der alte Papa Bismarck alle Büsche mit Mann und Hund abtreiben ließ und ernsthaft den Fuchs dahintersuchte, von dem er wußte, daß er durch Abwesenheit glänzte. Die Frankfurter Kohlköpfe bauen ihren Kohl nicht mal, sondern wärmen immer wieder den alten Kohl ihrer Redereien auf. Ihre deutschen Treibhausblumen wird über kurz oder lang der Meltau fressen, während eine königlich preußische Parade das Herz erwärmt. Die Armee! Das ist der Stein der Weisen für alle unsere Nöte. Ottos ererbtes Soldatenherz schwamm in Entzücken, und noch mehr, als ein huldvoller Blick aus Frauenaugen ihn traf.
Die Königin – »meine alte Flamme«, schmunzelte er – erkannte ihn, lehnte sich rückwärts über die Wagenlehne und winkte dreimal herzlich. »Die Frau weiß ein preußisches Herz zu würdigen!« schrieb er stolz an Hanna.
Diese drei Grüße waren ihm lieber als die Ehrung des Königs, »dem dreimal man die Kaiserkrone bot, die dreimal er geweigert«. Wäre es doch bloß Verschlagenheit gewesen, wie bei Shakespeares Cäsar! Übrigens mußte er auch beim König in Gnaden stehen, da die treffliche Königin doch stets nur ein rührendes Echo ihres vergötterten Gemahls abgab. Dessen Gunst bezog sich aber nur auf Menschliches, nicht auf Staatliches, denn für Staatsstellungen schien ihm Herr v. Bismarck viel zu jung und unreif. »Nur Geduld, mein Lieber,« tröstete er ihn gleichsam, ohne daß man diesen Trost begehrte, als er ihn mal bei einer Soiree der Prinzeß Augusta traf, »ich arbeite an Ihnen, ich werde Sie zu meinem Schüler erziehen.«
Ob ich da nicht ein unfleißiger Schüler würde? fragte sich Otto und schwor sich zu, jeden Vertrauensposten in der Nähe dieses Monarchen auszuschlagen, selbst wenn er ihm geboten würde. Ein innerer Ärger, der an ihm fraß, machte sich in verbissenem Schimpfen auf die Proletarier der Kammer Luft, und er schrieb seinem »geliebten Engel«, Johanna möge für ihn beten, weil er so weltlich und zornig würde. Um seine Verbitterung zu nähren, besuchte er mit seiner Schwester den Friedrichshain, wo er an den Gräbern der Märzgefallenen eine höchst unchristliche Wut austobte, als er die Kränzemassen sah und die Kreuzinschriften »Für Freiheit und Recht« las.
»Diese Verbrecher! Nicht mal den Toten kann ich vergeben, wenn ich sehe, was sie aus meinem Vaterlande gemacht haben, und den Götzendienst, den man mit ihnen treibt.«
Hinter einem Grabstein brummte eine derbe Stimme: »Habe dir man nich so! man nich so hitzig! Dem tat ooch ne Brauselimonade jut oder ne kühle Blonde.« Und ein paar Bengel drehten ihm eine Nase und wiesen mit Fingern auf ihn. »Kiekt den! Dat is ooch so'n jemeiner Junker!« Der Herbstwind pfiff durch den Kirchhof wie kichernder Hohn und spielte mit den roten Schleifen der Kränze.
Das aus sentimentaler Feudalromantik und gröbster hinterpommerscher Standesselbstsucht gemischte Gift, von dem sein Herzschwoll, sog doppelte Kraft aus verletzter Eitelkeit und persönlichem Ärger. Denn wenn die Märzgefallenen bis in hohe Beamtenkreise hinein als brave Jungen galten, die für ein gutes Ideal in den Tod gingen, dann mußten mittelbar die Feinde der Märztage unwürdige adelige Bauern von vernachlässigter Bildung sein, an denen nichts adelig ist als ihr »von«. Insbesondere den Schönhauser schilderte man als ordinären, brutalen Bramarbas, nur mit einigem Mutterwitz und scharfer Zunge ausgerüstet, nebenbei als Stellenjäger, der nach einem Posten schmachte. Otto lachte verächtlich darüber, aber es wurmte ihn doch. Und diese langweilige Kammer zwang ihn obendrein, sich so unverheiratet wie möglich in Berlin zu gedulden, indes sein »niedliches Liebchen« in Reinfeld sich härmte und einer neuen Entbindung entgegensah. Die solle aber in Berlin stattfinden, darauf bestand er. Zuerst suchte er eine Wohnung in der Lennéstraße (damals Schulgartenstraße) dicht am Tiergarten, dann mietete er ein Quartier in der Behrenstraße.
Leopold Gerlach vertraute ihm: »Sie wissen, daß ich mit dem Allergnädigsten in Teplitz war. Ein russischer Bevollmächtigter war auch dabei. Alles natürlich
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