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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Simson als Präsidenten wählte, und die äußerste Rechte mit siebenundfünfzig Mann wenig bedeutete, daß der Dichterling Kinkel nach Naugard aufs Zuchthaus kommen sollte, nachher von Karl Schurz befreit, kümmerte ihn sehr wenig. Rauchfleisch der guten Schwiegermama schmeckte beim Frühstück. »Es ist zu gut für diese Welt, wir wollen es nicht lange leiden lassen«, aß er es eilig mit Hanna auf. »Doch zum Dank muß ich Muttchen etwas schwarzweiß anstreichen, sie und Tante Ulrike in Reddenthin jammern über Hahnaus Blutgerichte und reaktionäre Missetaten, womit auch meine böse Gesinnung getroffen werden soll, die sie durch den papierenen Festungswall meiner Kammergeschäfte wittern.« Von jetzt ab verlief das Leben glatt und eben, Weihnachten, Neujahr, Frühjahr.
    Ende Februar 1850 atmete er erlöst auf: »Hanna, freue dich! Die Kammer geht auch nach Hause.« Doch er freute sich zu früh, denn nun tauchte der Spuk der Erfurter Reichsversammlung auf. Mit unverantwortlicher Schwäche trieben dieses Königs in allen Farben schillernde Politik die verräterischen Absichten Sachsens und Hannovers, die offenkundigen Feindseligkeiten der Südstaaten, deren Undank gegen das für ihre Throne vergossene preußische Blut zum Himmel schrie, einfach in Österreichs lauernde Arme. Dessen neuer Premierminister Fürst Schwarzenberg, ein hochfahrender und unfein protziger Magnat,und seine mit allen Salben geschmierten diplomatischen Helfershelfer schlossen ein »Interim« ab, das wahrlich wie das alte zur Reformationszeit den Schalk hinter ihm hatte. Die Einsetzung zweier preußischer und zweier österreichischer Kommissäre in Frankfurt als Zentralgewalt bedeutete einfach den Übergang zur Erneuerung des alten Bundestages.
    »Für das Innere schicken wir Oberpräsident Bötticher«, teilte Gerlach vertraulich mit, »für das Äußere natürlich den unvermeidlichen Radowitz. Am Hofe betrachten die einen die ›engere Union‹ auch nur als Revolutionsprodukt, die anderen wollen dies Projekt bis aufs äußerste festhalten. Wie denken Sie darüber?«
    »Ich denke gar nichts. Die Union stirbt ja schon eines Todes, den man je nach Belieben gewaltsam oder natürlich nennen kann. Die lieben Bundesbrüder werden ihren Verrat offen deklarieren und die Österreicher uns ins Schlepptau nehmen.«
    »Aber was sonst beginnen? Die Frankfurter Verfassung war ja Quatsch. So 'ne Art Kopie der englischen Magna Charta oder vielmehr eine Durchpausung ihres Pergaments auf kontinentales Löschpapier. Doch irgendeine Reichsverfassung muß sein.«
    » Il faut vivre? Je ne vois pas la necessité. Die Träumer, die seit dem Contrat social nichts gelernt und viel vergessen haben, mögen sich wieder Schlafrock und Pantoffeln anziehen. Ich verstehe darunter auch die erbkaiserlichen Gemäßigten des Herrn v. Gagern, die als Sezession der Frankfurter in Gotha als Rumpfparlament ihr Zelt aufschlugen. Wir werden nicht mal einen neuen Reichstag bekommen, denn wenn unser König einen ruft, wird fast niemand ihn beschicken. Enfin seuls! Preußen und die Gagernschen, angeblich Vertreter Deutschlands ohne jedes staatliche Mandat, werden unter sich bleiben.«
    »Sie werden also das Ministerium in der Unionssache nicht stützen?«
    »O doch, ich stimme dafür, weil es nichts schaden kann, daß die Utopie sich selber enthüllt wie eine platzende Seifenblase. Seit Brandenburg unseren Demokraten sein hysterisches »Nie, nie, nie!« bezüglich der Kaiserkrone entgegenschleuderte, stehe ich stets fest zu ihm. Aber ich hoffe, es ist das letztemal, daß kostbares Preußenblut ein vampirisches Gespenst füttert, unter dessen Löwenfell nur ein laut brüllendes, sonst sehr ungefährliches Tierchen ohne Zähne und Klauen steckt.«
    »Sie meinen damit den revolutionären Zeitgeist?«
    »Nicht nur ihn, sondern auch die belfernde Arroganz der Kleinstaaten. Diese Fürsten und die Demokraten fürchten sich gegenseitig vor ihrem Schatten, weil beide ohnmächtig sind. Nur Preußen«, Otto richtete sich auf und seine Augen blitzten, »ist ein wirklicher Löwe, ob er sich auch benimmt wie ein bellender Köter, der den Schwanz einzieht und winselt. Soll ich Ihnen was sagen? Der sicherste Weg zu deutscher Einheit wäre rücksichtslos egoistische Borussenpolitik.«
    Ein verflucht genialer Gedanke! sann der alte Polte Gerlach nach, als er nach Potsdam zurückfuhr. So ein Paradoxon, wie der Schönhauser es gern vom Stapel läßt. Der wackere Kerl vergißt, daß für solche Politik nur

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