Bismarck 01
in zwei Telegrammen einen Fußtritt von Schwarzenberg, der ihn gar nicht eingeladen hatte.
»Das übertrifft jede Befürchtung,« rief Wagener leichenblaß Otto entgegen. »Den 29. November wird man ewig im Gedächtnis behalten. Hier habe ich den Inhalt der Olmützer Punktation.« Union und Militärbündnisse aufgehoben, Hessen und Baden geräumt, Holstein den Dänen überliefert! Ärgeres hatte man noch nie einem Großstaat zugemutet, der ohne Schwertstreich sich selber ausstrich. Otto biß die Zähne zusammen und ging schweigend nach Hause, wo er auf einen Stuhl sank und lange vor sich hinstarrte. Er hatte, von der österreichischen Gesandtschaft, die einen wahren Übermut zur Schau stellte, das Wort Schwarzenbergs durchsickern hören: avilir la prusse, pois la démolir . Den ersten Teil des Programms hatte er erfüllt, jetzt galt es nur, dem zweiten in den Arm zu fallen. Überlistet und gedemütigt, aber noch nicht zerbrochen! Was nun? Den Tölpel Manteuffel fallen lassen, damit die gnädige Frau Ladenberg die Gräfin Brandenburg spielen kann? Seine knirschende Wut offenbaren, wie dies die Liberalen schon tun werden? Das ändert und bessert nichts. Lieber die Ohrfeige einstecken, als wäre nichts geschehen,und die Maske vorbinden, man danke gehorsamst für die heilsame Züchtigung. Aber geschenkt wird das Österreich nicht! – Ein zischender Laut entfuhr seinen krampfhaft aufeinanderschlagenden Zähnen: Rache! Hätte er sein Gesicht im Spiegel gesehen, möchte ihn wohl ein Schauder beschlichen haben. Es war ein furchtbares Gesicht.
*
Nachdem der Kommissionsreferent v. Bodelschwingh-Hagen den Wortlaut einer Adresse an den König befürwortete, die ihn der Unterstützung seines Volkes bei Vertretung der äußeren Würde Preußens versicherte und gegen jede Neubelebung des selig entschlafenen Bundestags protestierte, suchte Manteuffel lahm und ungeschickt die Unterwerfung Preußens zu verhüllen. Sofort sprang Vincke-Aachen auf und verlangte einen Zusatz zur Adresse, das Land sei empört über ein System, das zu solcher Erniedrigung führe. Es machte Aufsehen, als der geheime Archivrat Riedel diesen Antrag nicht nur unterstützte, sondern sofortige Entlassung Manteuffels forderte, der Preußens Ehre beschimpft habe. Da sprang der Abgeordnete v. Bismarck für seinen bedrohten Gönner ein. Es sei leicht, mit populärem Winde in die Kriegstrompete zu stoßen. Er schilderte die Schrecken des Krieges, und für was? Für die schönen Augen der Hessen? Für die Ehre? Davon redeten heut so laut gerade die Feinde der Armee. Er erinnerte daran, daß das siegreiche Österreich vor den Toren von Turin haltmachte auf französische Drohung hin, daß Rußland auf Auslieferung ungarischer und polnischer Flüchtlinge verzichtete, weil England und Frankreich mit Krieg drohten. Niemand habe darin eine Ehrverletzung gesehen. Preußens Ehre bestehe nicht darin, überall in Deutschland den Don Quixote zu spielen. Die Erfurter Union nenne man sonst überall nur noch mit stiller Heiterkeit. Sie sei nicht lebensfähige Jugendphantasie, und zwar, wie er sich geistvoll ausdrückte, »ein Produkt furchtsamer Herrschaft und zahmer Revolution«. Sie schließe die Süddeutschen aus, könne also nicht deutsche Einheit bedeuten, die freilich auch nicht in dem Recht bestehe, auf einer Tribüne parlamentarische Reden zu halten. In einem Krieg für das Unionsprinzip würde der Mantel des Liberalismus bald in Fetzen gehen und das rote Unterfutter zum Vorschein kommen. Man rufe zu einem Prinzipienkrieg auf im Namen Robert Blums, vor dessen Büste man allen Monarchen Rache schwöre, gegen den Erben einer langen Reihe deutscher Kaiser, und man schließe Österreich mit unbegreiflicher Bescheidenheit aus Deutschland aus, obschon dort das Deutschtum regiere und die anderen Völkerschaften nur dem deutschen Schwerte unterworfen seien. Die Kölnische Zeitung fordere die Deutschen auf, der italienischen Independenta Garibaldis zu Hilfe zu ziehen. Das enthülle so recht die Orgien der Demokratie, die sich als Patriotismus vermummen. Er sehe keinen Grund zum Krieg mit Österreich,wohl aber zum Krieg gegen eine solche Partei. Eine Kammer sei leichter zu mobilisieren als eine Armee – durch Auflösung und Wiederwahl.
Die durch häufigen Lärm unterbrochene Rede entfesselte eine zum Teil ehrliche, zum Teil theatralische Entrüstung, machte aber auf alle Gemäßigten ersichtlichen Eindruck und rettete das Ministerium. Natürlich brandmarkte die Linke den
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