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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Knack.
    Ein Liberaler, der davon hörte, urteilte mit beneidenswerter Sicherheit: »Wußt' ich ja. Entweder total borniert oder ein kompletter Heuchler. Wahrscheinlich das letztere. Diesen Junkern ist nie zu trauen. Er weiß gewiß, daß die Pfaffen ihm eine gute Note geben und der Wind bei Hofe für solche Torheiten günstig ist.«
    Auf einer Soiree bei Fürst Radziwill traf er den König, der ihm die Hand drückte und ihn persönlich zu einem Hoffest einlud ... Der hellerleuchtete Weiße Saal mit seinen Säulen und Treppen bezauberte ihn, man hatte Springbrunnen, exotische Blumen und Bäume hineingesetzt, und zum Plätschern der Wasser und zum Säuseln der Palmen stimmte seine Seele in musikalischen Akkorden. Er sah behaglich auf weichem Diwan der Galerie und überschaute das farbige Gewühl da unten, bunte Damentoiletten und Uniformen, eine wogende See von schimmernder Eitelkeit. »Eitelkeitsmarkt«, kam ihm der Titel von Thackerays Roman zu Sinn, und er versank in tiefes Nachdenken. Diese tausend Personen da unten nennen sich die große oder die schöne Welt, und doch sind sie gar nichts als ein beliebiger Ausschnitt der Welt. Die Dirnen und Zuhälter in einem öffentlichen Tanzlokal halten sich auch für eine besondere Welt, und wenn man Halbwelt sagt, so heißt das nichts, denn eine ganze Welt findet man nirgends.
    Als er in den Saal herunterging, engagierte ihn erst die Stolberg zu einem Kontertanz, weil ihr Tänzer sie sitzen ließ. Da konnte er nicht mehr los, eine hohe Dame befahl ihn zum Lancier: die Herzogin Agnes von Dessau. Als er eben absetzte, stand der König vor ihm und sagte gnädig: »Sie Schlimmer! Seit einer halben Stunde liebäugelt die Königin mit Ihnen, und Sie merken es gar nicht.«
    Verdutzt beeilte sich Otto, der hohen Landesmutter seine Honneurs zu machen, die von Huld strahlte. »Sie wissen, daß ich Sie als meinen Ritter betrachte. Mein Gemahl braucht solche tapferen Vasallen, die fest zum Throne stehen. Was macht Ihre Frau? Sie tanzen, wie ich sehe? Doch Sie sagten schon früher: nur aus Gesundheitsrücksichten.« Sie drohte schelmisch mit dem Fächer.
    »Das ist die volle Wahrheit, Majestät. Ich muß den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen oder in Kammersesseln und komme nicht dazu, mir sonst Bewegung zu machen. Am Tanzen selber liegt mir nichts, ein alter Ehekrüppel wie ich ist über dies Vergnügen hinaus.«
    »Mit dem Krüppel wird es wohl nicht so weit her sein«, berichtigte die Königin, indem ihr Blick anerkennend seine hohe Gestalt streifte. »Doch begreife ich, was Sie meinen.« Für die Herzogin, die daneben stand und sich etwas verlegen fächerte, enthielt freilich seine Erklärung nicht viel Höflichkeit. Beim Souper traf er einen Bekannten, jenen Verehrer seiner Frau, den jüngeren Savigny, der sich auf seine französische Abkunft etwas zugute tat und sich Charles nannte. Dafür erhielt er von Otto den Spitznamen »Don Carlos« infolge seiner steifen Grandezza. »Meinen gehorsamsten Handkuß der verehrten Frau Gemahlin!« Er erkundigte sich angelegentlich und mit wirklicher Wärme, und eine Tischnachbarin Ottos, Gattin des Diplomaten v. Usedom, eine ziemlich auffallende, englische Dame, versicherte ihm, Savigny spreche auch hinter dem Rücken begeistert von Johanna als »a very clever and sensible woman« . »Sind Sie nicht eifersüchtig?« Er lachte herzlich. Ihn freute es sehr, daß Hanna vielen Leuten gefiel, obschon sie so gar nichts äußerlich Bestechendes an sich hatte. »Very clever?« sann er darüber, doch wohl nicht im üblichen Sinne, aber die Erbweisheit des weiblichen Geschlechts, den sechsten Sinn der Frau hat sie, und das bezaubert jeden Mann. Er fuhr mit Schwester Malwine nach Haus, die er ein wenig auszankte, weil sie zu viel Bälle mitmache und mit zu viel Passion tanze. »Nachher wirst du daniederliegen, körperlich abgespannt und seelisch angegriffen.« »Ach Gott, mit Fastnacht ist ja jetzt die Saison geschlossen. Und zu Hause langweile ich mich so. Wenn ich dich nicht hätte!« Er seufzte. Wie selten ist doch eine harmonische Ehe, und wie ungleich sind Geschwister! Bernhard war ein braver Philister, Malle zwar klug und leidlich gebildet, aber voll Vergnügungssucht und öder Weltlichkeit.
    Zu Hause erwartete ihn der graue Hans mit dem 118. Psalm, was er nach so viel kaltem Champagner als Herzstärkung zu sich nahm. Doch konnte er nicht umhin, beim Einschlafen zu erwägen: Ob wohl der liebe Gott es für reglementmäßig hält, tagsüber zu schuften,

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