Bismarck 01
geworden.
»Mir fällt eine Last vom Herzen«, jubelte Otto. »Ich kann nicht glauben, daß der Austriake Radowitz so borussisch sprach, da muß ein Irrtum sein. Jetzt komme Krieg, gegen wen man will, all unsere Preußenschwerter werden hoch in der Sonne blitzen.« So schrieb er auch an Wagener und bedauerte nur, daß Finanzminister Heydt, den er übrigens in Erfurt um eine private Gefälligkeit (Unterstützung eines jungen Malers) ersuchthatte, im neuen Ministerium wieder sauer aufstoße, nachdem man ihn schon verdaut glaubte. Otto litt in dieser Zeit öfters an Sodbrennen, was eine gestörte Verdauung bewies, bei ihm ein ungewöhnlicher Fall. Die am 6. November erfolgende Mobilmachung schien ihm recht zu geben, daß Manteuffel festbleiben werde. Die Sage, Brandenburg habe im Todesfieber nach Helm und Schwert gerufen, um als Ritter die Ehre Preußens zu rächen, ergriff ihn zwar, doch auf dem Wege über Berlin zum Marschquartier seines Regiments erlebte er einen Vorfall, der ihm zu denken gab. Ein pommerscher Schulze stieg zu ihm in den Postwagen. »Wie geht's, Stranzke?« »Dunnerkiel, de gnä'ge Herr von Kniephof! Gut geit's.« »Auch einberufen? Wir machen mobil.« »Wat Sa nich seggen. Wo steht de Franzos?« »Die Franzosen sind nich dran, sondern die Holters, die Österreicher.«
»O je, dat tut mir leid. Dat sinn doch deutsche Brüder und de weißen Kolletts waren doch neben Preußischblau in Anno Tobak bei Leipzig. Uf die Hundsfötter von Franzosen, dat lumpige Lausevolk, da geht's besser druf, da holt jeder pommersche Jung sein Schietprügel.« Also so tiefgewurzelt blieb noch der Franzosenhaß im deutschen Volk, daß nur ein Krieg gegen den Erzfeind allgemeine Begeisterung versprach. Und erst wenn man Slowaken und Kroaten im Feld begegnete, konnte sich der Deutsche von dem Wahn befreien, das sei ein Bruderkrieg.
*
Otto meldete sich in Berlin beim Kriegsminister Stockhausen in miltärischer Haltung ab, da er gleichzeitig als Abgeordneter zur Kammer einberufen sei, die natürlich vorgehe. »Ich brauche wohl nicht zu sagen, wie glücklich ich wäre mit einer Landwehrschwadron auf diese Halunken einzuhauen, die uns keine Ruhe gönnen.«
»Stecken Sie Ihre Plempe nur wieder ein, lieber Bismarck!« Der ihm gut befreundete alte General schnitt ein saures Gesicht. »Es gibt keinen Krieg, denn wir müssen für jetzt jeden Bruch vermeiden, weil wir die Österreicher beim Vormarsch auf Berlin nicht aufhalten könnten. Sie haben 150 000 Mann in Böhmen, dazu die Bayern, selbst wenn Sachsen neutral bleibt, und wir keine 70 000 Mann von heut bis in zwei Wochen. Wir müssen außerhalb der Mittelzone in Danzig und Minden mobilisieren oder in Königsberg und Koblenz, jedenfalls in zwei getrennten Lagern.«
»Herrgott im Himmel!« fuhr Otto auf. »Solche Zustände bei uns! Wohl alles Folge der Demokratenwirtschaft, die keine Gelder im Budget für Militärzwecke bewilligt.«
»Zum Teil ja, doch die Hauptschuld tragen wir selbst. Man hat damals in der Eile zu viel einzelne Kaderstämme nach Baden ausrücken lassen, die in ihrer Friedensformation jetzt im Südwesten verzettelt sind, fern von Ersatzbezirken und Zeughäusern. Das sind allein Kaders von 150 000 Mann, die dort unten stehenund die wir auf wenig gangbaren Wegen zurückholen müssen durch den Weserdistrikt.«
»Warum denn? Bei der allgemeinen deutschen Notlage – Hannover und Braunschweig gehören doch nominell noch zur Union –«
»Was wollen Sie! Man muß bis aufs äußerte die Empfindlichkeit der einzelnen Landesherren und ihrer Gebietsgrenzen schonen. Ich sage Ihnen, wir können nicht schlagen, wir müssen Zeit gewinnen, bis wir genug Kräfte zwischen Elbe und Oder bereit haben. Sie haben Urlaub von Ihrem Regiment, bleiben Sie bitte hier und wickeln Sie ab, was Sie können. Bis wir die Landwehr beisammen haben, darf man bei den Kammerverhandlungen sich nicht brüsten wie die führenden Preßorgane dies schon belieben. Ich versehe mich davon der schlimmsten Folgen für Beschleunigung des offiziellen Konfliktes. Wenn Sie Einfluß auf Ihre Kollegen haben, bearbeiten Sie sie mit Mahnung zur Mäßigung.«
»Steht es so? Das ist ja furchtbar!« rief Otto erschüttert. »Planlosigkeit, Knauserei und Leichtsinn im Bunde! hat der König denn nie eine kriegerische Möglichkeit im Auge gehabt?«
»Es scheint nicht, Majestät waren immer nur präokkupiert um die öffentliche Meinung der Zeitungsartikler. Ich bin nicht verantwortlich für alle
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