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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Preußen gegen Österreich benutzen, wenn nötig, im übrigen die liebe alte Rheinbundszeit erneuern und uns die Kleinstaaten warm halten.
    Der unermüdliche grauhaarige Tänzer stand auch am Spieltisch seinen Mann. Es wurde hoch gespielt. Als Frau v. Brintz ihn zum Partner forderte, lehnte Otto dankend ab. »Ich habe leider in der Jugend diesem Laster so gefrönt, daß ich es langweilig finde.«
    »Wie kann man! Was wäre die gute Gesellschaft ohne ein flottes Jeu ! Seien Sie doch nicht so ehrbar, Herr Baron!« schalt ihn die Dame mit erhobenem Finger. »Das Zuschauen wird Ihnen wohl kaum Vergnügen machen.«
    »Doch!« lachte er. »Das Vergnügen, die Verlierenden auszulachen.« Monsieur de Tallenay zog die Augenbrauen hoch und dachte sich sein Teil. Hätte er je Shakespeare gelesen, so würde er zitiert haben: Der Cassius hat einen hohlen Blick, er denkt zu viel, die Leute sind gefährlich. Ein angehender Diplomat, der den Pharotisch meidet, das ist entweder ein Bärenhäuter oder ein kalter Ehrgeiziger, der sich immer im Zaum halten will. Aber als er sah, wie der »Baron« auf allerlei Faxen des lebenslustigen jungen Madjaren einging und auch gehörig dem Champagner zusprach, beruhigte er sich. Einfach schlechte kleinbürgerliche Erziehung! Wahrscheinlich ein armer Teufel, der sein bißchen Moneten nicht riskiert. Und er trinkt viel, da kann man aus ihm sicher was herauspumpen. (Du ahnungsloser Engel du!)
    Otto setzte sich zu der schönen Gräfin und schöpfte dabei die Gewißheit, daß die Gute ihrem ungetreuen Haustyrann ganz ergeben sei. Graf Szecheny sprach von einer Mesalliance,daß ein österreichischer Magnat eine Tänzerin geheiratet habe. »Aber die Liebe! Aber die Kunst! Das adelt!«
    »Mit Tanzbeinen? Offen gestanden begreif ich noch eher, daß ein Edelmann ein ehrsames Bürgermädchen heiratet.« Eine Wolke flog über das schöne Gesicht der Gräfin, und Szecheny räusperte sich leicht. Otto merkte, daß er jemand auf den Fuß getreten habe. An den Thuns nagte ein furchtbarer Schmerz, einer von den Ihren, nicht mal ein »jüngerer Sohn«, vergaß sich so weit, eine Pragerin aus unteren Ständen zu heiraten, deren Unbescholtenheit eigentlich die ärgste Untugend war. Bei einer Dirne hätte man es noch eher begriffen. Ein Skandal!
    »Joa, wissen's, lieber Baron«, belehrte ihn der fidele Madjar, der ihn nach Haus begleitete, weil sie im gleichen Hotel wohnten. »Im Haus des Gehenkten redt man nit vom Strick.« Außerhalb des Salons sprach er fließend Deutsch in Wiener Dialekt, innerhalb diplomatischer Salons aber hätte man sich entehrt erachtet, etwas anderes als Französisch von sich zu geben. »Graf Franzl Thun hatte es halt mit der hohen Kunst und anderen Schrullen, z.B. untersuchte er Schädel. Wie nennt man's gleich mit so 'nem gelehrten Namen? Ein Engländer soll's ausgeheckt haben.«
    »Wohl die Phrenologie des Dr. Gall.«
    »Schauen's, was Sie net alles wissen! Ein Engländer von guter Familie, der 'ne Schwester vom Franzl heiratete, machte auch mit. Die untersuchen sämtliche Schädel, ob sie Hohlköpfe sei'n oder Raubmörder oder Genies. A Hetz! Als ob der liebe Gott hinten abdrücken würde, was er vorn auf der Visage schreiben kann. Jedem Menschenkind sieht man's halt an, was ihst ehs.«
    »Sind Sie dessen so sicher?« lächelte Otto belustigt.
    »Aber joa! Ohne uhnbescheiden zu sein, bei Ihna weiß man doch gleich, liebster Baron, daß Sie ein offener gerader Kerl sind.« Nicht gerade ein großes Licht, aber auch ganz hell für den Hausbedarf, setzte er in Gedanken hinzu. »Und a Jager sein's auch. Besuchen's mich in Keschkemat auf meine Güter. Da spendier' ich Ihna eine Bärenhatz, superbe . Au revoir a demain, à la bonne cameraderie! «
    Otto lachte in sich hinein, als er die Bettkerze ausblies. Also ich bin erkannt, eine ehrliche Haut, abzulesen wie vom Blatt. Mutter selig hatte natürlich auch Lavater im Schrank, von dessen Physiognomielehre hab' ich damals genascht. Nun ja, jedes Menschen Geist und Charakter stehen wohl deutlich im Gesicht geschrieben, doch wer vermag es zu lesen und wer hat Zeit dazu! Nun ja, ich gebe zu: Napoleon, Friedrich der Große, Goethe, Byron, das sind die besten Beispiele dafür, daß jemand sein Genie auf der Stirne trägt wie ein Wappen. Aber man mustere doch sonst die Ahnengalerie unserer Menschheitsgrößen! Wie selten decken sich da äußere und innere Erscheinung! Gewißnur für unsere Blindheit, wohl möglich. Na, etwas gescheiter bin ich schon,

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