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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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als ich aussehe. Man hält mich sozusagen für einen Vater Biedermann und ehrenfesten Landmann, wie ich häufig merke. Ei, mir kann's recht sein, dann band mir die Natur selber einen Schleier vor. Wie wär's, wenn ich ein bißchen die burschikose Note spielte? So ein biederer, knorriger Altpreuße in Hemdsärmeln? Nicht übel, das machen wir.
    Gott, die arme Hanne! Wie soll sie so rasch Französisch plappern! Und die Sitten werden ihr gottlos erscheinen. Bah, zum Teufel, ich habe einen traulichen Kamin geheiratet, wo ich mich erwärme nach Frost und Wind, nicht einen Spiegel für meine Eitelkeit, eine Salongöttin zum Zeitvertreib der anderen. Ach, mein gutes Weib, könnt' ich dich wieder im Arm haben in der Tafelstube vor der Terrasse, dann fragt' ich wenig nach irdischer Ehre. Wenn ich morgen nach Hause schreibe, muß ich mich hüten, die Frankfurter Post ist einfach k.k. österreichisch, sie öffnet alle Briefe nach Berlin, das weiß ich schon. Ich werde zum Spott einfließen lassen: »Der Herr, der soeben diesen Brief liest ...«, vielleicht ärgert sie das als Schreckschutz oder vielmehr als blinder Böllerlärm, denn sie werden nach wie vor meine Briefe erbrechen. Die arme Hanne! Als Gesandter brauch' ich fünf Diener, drei Mägde, dazu Wagen, Pferde, Silbergeschirr. Jedes Behagen eine verbotene Speise. Wie tot und nackt ist diese große Welt, die sich groß nennt, weil sie so klein ist. Doch ich bin nicht hier, um Trübsal zu blasen und Weltschmerzsonaten vom Blatt zu spielen, sondern meine Pflicht zu tun und vielleicht mein Werk.
    *

Die Gesandten der deutschen Kleinstaaten, denen er sich nun der Reihe nach amtlich vorstellte, verhehlten kaum ihr Mißtrauen. Sie tuschelten untereinander, und jeder beschloß auszuspionieren, ob dieser hergeschneite Fremdling etwa eine besondere Mission habe, und es dann brühwarm an Serenissimus zu rapportieren, ohne aber einem befreundeten Kollegen je einen Wink darüber zu geben. Der Kammerdiener Hildebrand berichtete lachend, daß Unbekannte ihn ausfragten, ob sein Herr viel esse, wann er aufstehe, ob er wirklich ein so starker Raucher sei, da man ihn immer mit der Zigarre sehe, ob die Frau Gemahlin von altem Adel sei, und ähnliche hochwichtige Staats- und gelehrte Angelegenheiten. Der Pommer, dem ein Schalk im Nacken saß, band dann allerlei Bären auf. Schon bald bat Otto den heimischen Kammerabgeordneten ab, daß er über ihre würdevolle Wichtigtuerei so endlos spottete. Denn die Lappalienwirtschaft dieser hochmögenden Kleinigkeitskrämer übertraf jede Vorstellung. Der schlaue Franzose, der kühle Engländer, die feschen, gewandten Österreicher wußten natürlich längst, was sie mit diesen Nachfahren der Regensburger Reichstagsperücken, die sich gegenseitigden Staub und Puder ins Auge bliesen, anfangen sollten. Jedem achtungsvoll ein bedeutsames Wort zuraunen, etwa: »Schön Wetter jetzt in Deutschland« oder »mich däucht, ein kalter Ostwind bläst« oder »im Westen hat man starken Wind«, wohinter tiefsinnige politische Anspielung sich pythisch verbarg. Jeden in die Watte seiner Reservatrechte wickeln und sich anstellen, als sei die Stimme von Reuß-Greiz und Lippe-Detmold von weltbewegendem Nachdruck. Im übrigen die eigenen Wege gehen und rücksichtslos die Interessen der drei Großmächte unter sich abwägen. Seit der frühere russische Bevollmächtigte, Baron Budberg, sich über den Bundestag in satirischen Episteln ergoß, die dem grimmen Zaren Lachtränen entlockten, verschmähte der hochmütige Herrscher aller Reußen, den Posten dauernd zu besetzen. Es hing von seiner Laune ab, ob wieder mal ein Russe sich herabließ, als Gesandter in Frankfurt zu »verhandeln«, d.h. zu tanzen, zu flirten und gute Diners zu essen. Denn im ganzen lief die staatsmännische Arbeit darauf hinaus, es sei denn, daß Cowley und Tallenay das Bedürfnis spürten, mit eigenen Kurieren nach London und Paris kleine scherzhafte »Akten« abzuladen, d.h. sich über den kindlichen Bundestag mit seinen twopenny-concerns lustig zu machen.
    Um sich von diesen Staatsmännern zu erholen, besuchte Otto den Kommandanten der Bundesfestung Mainz, nach wie vor von preußischen Truppen besetzt, deren Anblick ihm das Herz erfreute. General v. Schack bekannte seufzend: »Die moralischen Eroberungen – – ich höre immer: moralische – –, von denen Majestät so viel halten, lassen auf sich warten. Die kaiserlich königlichen Leute haben uns das Wasser abgegraben, die süddeutschen Bürger

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