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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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sie Oberwasser, aber laß sehen, ob auf die Dauer. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn ich den Kleinstaaten nicht beibrächte, sie hätten Österreich geradeso zu fürchten wie uns. Die Manieren des guten Thun sind mir mißfällig. Er behandelte mich de haut de sa grandeur wie ein leutseliger, großer Herr einen armen Schlucker. Da werden wir ein Stöckchen vorstecken. Preußen klopft man nicht gnädig auf die Schulter. –
    Er fuhr jetzt beim englischen Gesandten vor, Lord Cowley. Die Dame des Hauses, echte Weltdame, doch mit der wohlerzogenen, vornehmen kindness einer Engländerin high-bred , schien Wohlgefallen an ihm zu finden. Wohlwollend und schlangenklug wie jede wahre Frau, zugleich mütterlich-freundlich und kühl das Maß der Männer nehmend, hatte sie sogleichVerständnis für diesen stattlichen Herrn, der ihr very kind-hearted and yet very firm däuchte. Er merkte das und berechnete sofort, daß sie sich vielleicht mit der armen Hanne auf Freundschaftsfuß stellen werde, die hier wie verraten und verkauft in diese aalglatte Internationale hineinschneien würde. Er warb daher in aller Schnelle um ihre Sympathie für seine Frau, was ihm sogleich einen Stein im Brett bei ihr verschaffte. Der englische Ausdruck »ladies of easy access« (Damen von leichtem Zutritt) für Demimondainen deckt sich in anderem Sinne für die zugleich würdevolle und entgegenkommende Feinheit des Benehmens bei Engländerinnen, die auf den Titel Lady Anspruch erheben, was bei Salongrößen des britischen Adels sich zur Vollkommenheit steigert.
    Der edle Lord ließ übrigens einfließen, daß er ein Neffe des seligen Herzogs Wellington sei, daher gewissermaßen zu Preußen erbliche waffenbrüderliche Beziehungen habe. »Das wird in Preußen nie vergessen werden«, beteuerte Otto aus vollem Herzen. Er registrierte nämlich heimlich: seinen Undank und seine Perfidie (»seinen« lies erweitert: England) werden wir Kundigen nie vergessen. »Ich bin überzeugt, das bei uns so hochverehrte mächtige England wird dies auch stets in wohlwollender Erinnerung halten. Blut ist dicker als Wasser, und unser verwandtes Blut hat sich Schulter an Schulter vermischt.« Lord Cowley sagte etwas Verbindliches und schmunzelte. Ein deutscher braver Träumer. England wird sich immer an eins erinnern: seine eigenen Interessen. Alles übrige ist für die Galerie des Theaterpöbels, der sich auf der Bühne allerlei Faxen vormachen läßt. Als daher Lady Cowley nachher meinte: »Ein angenehmer Mensch, sogar ziemlich imponierend. Wie Napoleon sagte: Das ist ein Mann!« berichtigte er gnädig: »Sagen wir lieber: Das ist ein Deutscher. Offenbar ein guter Mensch, der das Herz auf der Zunge trägt und in Gefühlspolitik schwelgt. Doch das soll ihm bei uns nichts schaden, im Gegenteil. Den hat auch Gott in seinem Zorn zum Diplomaten erkiest. Übrigens soll er gar kein Professional (Zünftiger) sein. Wir werden seine Bekanntschaft kultivieren, sobald er Gesandter wird. Von dem kann man sicher Informationen erhalten.« –
    Otto machte sodann einer russischen Frau v. Stallupin mit einem Empfehlungsbrief seinen Besuch, die eine große gesellschaftliche Rolle spielte. Sie saß zwischen unzähligen Nippsachen wie ein Dalai-Lama. »Das ist schön von Ihnen, Herr Baron, wie unser Gesandter in Berlin mir schreibt, daß Sie so gut russisch sind. Ach das heilige Rußland! Man kennt noch nicht in Europa seine Tiefe.« Diese Phrase setzte sie als bloße konventionelle Scheidemünze in Umlauf, die von einer Hand in die andere ging. Durch Puschkin und Gogol besorgte man damals, was später Tolstoi und Dostojewski vollendeten. Europa, und natürlich der deutsche Michel obenan, kniete in Ehrfurchtvor solcher unergründlichen Gemütstiefe bis nach Sibirien hinein. Mit Speck fängt man Mäuse, und der furchtbare Despot Nikolaus war vornehm und klug genug, Herrn v. Puschkin, den »russischen Byron«, unter seinen Schutz zu nehmen, wenn die vierte Abteilung der Petersburger Geheimpolizei ihm zu Leibe wollte. Diese sogenannten Liberalen, die dabei, wie der spätere Muschikheiland Tolstoi, eingefleischte Stockrussen blieben, konnte man ganz gut als literarische Kosaken zur Invasion Westeuropas verwenden. »Kennen Sie die Novellen des Herrn v. Turgeniev? Jüngst erschienen.« Die Dame wies auf einen mit bri a brac übersäten sogenannten Schreibtisch. »Etwas freigeistig, etwas ... negativ, vous savez , aber sonst trèz comme il faut . Ein jüngerer Mann von sehr guter Familie,

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