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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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wollen nun mal von Preußen nichts wissen. Sind Herr Geheimrat schon beim General Peucker gewesen?« Er meinte den preußischen Militärkommissar in Mainz, der an der Niederwerfung des Badischen Aufstandes teilnahm.
    »Er war bisher verreist. Ich hatte die Ehre, ihn einmal in meinem Elternhause zu sehen und habe ihm Anhänglichkeit bewahrt. Ein hochverdienter Mann!«
    »Ein bißchen zu gelehrt für einen Frontoffizier, obschon Exzellenz ja noch unter York den russischen Winterfeldzug mitmachten. Man hört, er soll als Generalinspekteur des Militärerziehungswesens vorgemerkt sein. Dann wird er wohl den letzten Orden bekommen, der noch fehlt.« Der General lachte. »Sie kennen ja wohl den Berliner Witz: es peuckert.«
    »Hängt er denn wirklich auch hier noch sämtliche Orden heraus?«
    »Bis über den Nabel«, äußerte sich der Kommandant mit soldatischer Offenheit. »Ob er damit moralische Eroberungen macht? Die Frankfurter machen auch faule Witze darüber, die Gassenbuben drehen ihm lange Nasen hinterm Rücken, das feine Französchen, der Herr Marquis, nannte es öffentlich »schlechtenTon« und Exzellenz Graf Thun, der sich ja nie Zwang auferlegt, soll in einer Weinlaune von ›preußischen Pfingstochsen‹ schwadroniert haben. Müßte mir vor die Klinge, der Hochnasige, wenn er nicht exterritoriale Indemnität hätte. Und Peucker ist solch braves altes Haus. Warum macht er nur solche baufällige Sachen!« – –
    Als Otto zu früher Stunde am Vormittag Peucker aufsuchte, um ihn bestimmt zu treffen, kam ihm dieser freundlich entgegen: »Ist mir eine Freude, werter Herr Geheimrat. Kannte Sie schon, als Sie noch ein klein Jüngelchen waren, und jetzt sind Sie so ein großer, schöner Mann.« Er selbst war sehr unschön und unansehnlich. Im ersten Augenblick staunte der Besucher, daß es gar nicht peuckerte, doch er sah sofort den Grund. Auf einem Tischchen lagen sämtliche Orden ausgebreitet, Kreuze und Steine, eine wahre Milchstraße.
    »Ich komme, Exzellenz, um mich zu informieren, wie Sie als Militärkommissar – –«
    »Ach, ich befinde mich in einem argen Dilemma«, unterbrach ihn hastig der alte Herr. »Se. Hoheit der Großherzog von Weimar haben geruht, mir höchstihren Hausorden vom Weißen Falken zu verleihen, nämlich den Stern dazu. Dieser unterbricht aber die gewohnte Ordnung der Kette. In meinen Augen – – ich weiß nicht, wie Sie darüber denken – –«. Er warf einen halb entsetzten Blick auf die fast jungfräuliche Brust des Besuchers in Zivil – »ist, die sachgemäße Gruppierung von Verdienstzeichen ein Kunstwerk. Beraten Sie mich! Wo soll ich den werten neuen Ankömmling einreihen?« Otto unterdrückte ein Lächeln und ging mit gebührendem Ernst auf Erörterung der großen Frage ein, zur Zufriedenheit Peuckers, den er dann mit Mühe auf ein geschäftliches Thema brachte.
    »Ja, Preußen und Österreich – – dieser Kaiserstaat hat sehr vornehme Orden. Der Eisernen Krone bin ich teilhaftig geworden, das Maria-Theresien-Kreuz ist ja natürlich nur für heimische Größen wie Radetzky, und das Goldene Vlies – – ich hatte den Vorzug, es bei Sr. Gnaden Fürst Schwarzenberg auf dem Schlachtfeld von Leipzig erschauen zu dürfen, den es herrlich kleidete.« Er seufzte elegisch wie in Sehnsucht nach Unerreichbarem. Plötzlich sagte er kurz und scharf: »Wir müssen vor allem dafür Sorge tragen, daß in Mainz die preußische Besatzung dominiert. Damit veranschaulichen wir dem hohen Bundestag gleichsam das militärische Gewicht Preußens. Es kann nicht oft genug daran erinnert werden.«
    Ein gescheiter, tüchtiger Kriegsmann, eine Leuchte der Kriegswissenschaft! dachte Otto, als er die Treppe hinabstieg. Und doch solche Schwächen! Vielleicht das Ewigweibliche – – der Häßliche hat eine hübsche Gräfin geheiratet, und die sieht wohl darauf, seine Blöße mit dem Feigenblatt schöner Orden zuzudecken.Aber solche Äußerlichkeiten bestimmen das Urteil der seichten Welt. Damit sind wir Preußen oft geliefert. Entweder haben wir einen barschen, rasselnden Kommandoton oder die schulmeisterliche Salbung eines professoralen Pedanten, oder wir machen uns lächerlich – – und dabei sind wir die humansten, gerechtesten Menschen, fleißiger, pflichttreuer, klüger und auch schöpferisch begabter als die meisten Ausländer, aber es fehlt an Takt, wir behalten etwas Bourgeoises und Parvenühaftes. Hängt wohl mit unserer Geschichte zusammen. Welch ein echtpreußischer Humanitätsdusel, von

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