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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Preisboxer. Um Ihnen das Schlimmste zu sagen: ich weiß aus guter Quelle, daß der Geheimrat v. Bismarck nicht nur nie im Amte war, sondern daß er – leihen Sie mir Ihr Ohr, man darf so Trauriges nur im tiefsten Vertrauen weitertragen –« er tuschelte durch die hohle Hand: »daß er durchs Staatsexamen gefallen ist.«
    »Aber das ist ja schauerlich!« Marschall hob wehevoll die Augen zum Himmel. »Das schreckliche Geheimnis bleibt natürlich unter uns.« Er bringt's allmählich durch die ganze Stadt! dachte der Hesse. »Ja, ich beuge mich Ihrer tieferen Einsicht. Von einem solchen Unglücklichen ist das Unerfreulichste zu befürchten.«
    »La carrière ouverte aux talents!« dachte der andere. »Seine Majestät der König von Preußen spielen den Napoleon als Talententdecker. Doch wir werden diesem Ikarus die Flügel beschneiden.«
    Die beiden gewiegten Diplomaten wandelten majestätisch die Zeil hinauf, überall ehrfurchtsvoll begrüßt. Waren sie doch die deutschen Männer, die seligmachen und verdammen konnten. Die siebzehn Delegierten hielten so prächtig das europäische Gleichgewicht in Händen, indem sie das deutsche Gleichgewicht mit schweren Hanteln wie Athleten und mit der Balancierstange wie Seiltänzer in der nötigen Schwebe erhielten. Österreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Württemberg, Baden, Kurhessen, Großherzogtum Hessen waren in der hier gegebenen Reihenfolge ihrer Wichtigkeit vertreten, aber von da verwirrte sich das Bild, so bunt wie die deutsche Landkarte. Mit unfreiwilliger Komik bedeutete der Vertreter Nummer Zehn: »Dänemark für die Elbherzogtümer«, Nummer Elf: »Die Niederlande für Limburg und Luxemburg.« Und die ferneren Vertreter hatten immer ein Doppelamt. Nummer Vierzehn für beide Mecklenburg mochte noch angehen, aber Nummer Dreizehn »Braunschweig und Nassau«, Fünfzehn »Oldenburg, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt und Sondershausen«, Sechzehn (die »durchlauchten«) »beide Reuß, Schaumburg-Lippe, Lippe-Detmold, Waldeck, Hessen-Homburg« und – unglaublich zu sagen – Liechtenstein entbehrten nicht allzu gemischter bunter Reihe. Nummer Siebzehn, die hanseatischen Freien Reichsstädte, hätte Vernunft gehabt, wenn nicht die freie Reichs- und Kaiserstadt Frankfurt a. M. darin eingeschlossen wäre.
    *

Anders freilich, als sonst dem profanen Auge sichtbar, dachte darüber ein sonderbarer Herr, der zurzeit im Kurgarten von Wiesbaden saß. »Das ist der königlich preußische Geheime Legationsrat«,vertraute der Direktor seinem Personal an, von dem Schauer ergriffen, der alle echtdeutschen Leute vor einem Titel ergreift. Der einfache Herr in Zivil ohne Orden war sofort geheiligt. Dieser brütete vor sich hin.
    Diese deutsche Dezentralisation der Stämme, die unsere politische Ohnmacht ausmacht, würde zu ihrer höchsten Stärke führen, sobald das äußere Band der Einheit geschmiedet. Es ehrt nur den Deutschen, daß er die Anhänglichkeit an die besondere Provinzialgeschichte »seines« Herrscherhauses ehrt. Das gibt eine Stärke der Tradition, eine anhängliche Pietät für die eigene ererbte Scholle des ganz besonderen deutschen Staatswesens, welche nachher den Begriff des allgemeinen Vaterlandes im großen Volk der Deutschen nur höher emporheben muß. Die dem deutschen Indogermanen eigene philosophische Anlage wird dann die Vaterlandsliebe als Inbegriff alles deutschen Volkstums mit einer Inbrunst umfassen, wie der eitle Chauvinismus der Briten und Franzosen sie nicht kennt. Die alldeutschen Demokraten ahnen nicht diesen inneren Mechanismus deutschen Denkens. Nicht die Einheit ohne die Fürsten, ohne den Sonderpartikularismus, sondern die Einheit mit den Fürsten, mit dem Sonderbewußtsein der deutschen Stämme, die sich ja schon durch ihren Dialekt unterscheiden, muß erstrebt werden.
    Jawohl, das möchten uns Briten und Franzosen hindern, wenn sie einen Blick auf die Wahrheit tun könnten. Gesegnet sei ihre Allwissenheit! Womit ich aber den Heilandsspruch: Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! durchaus nicht zugunsten dieser hochmütigen Selbstlinge anwenden möchte. Ich bin ein guter Hasser. Ich hasse sie alle und das hochmögende Österreich dazu. Mein Gott! Letzte Nacht träumte ich, ich gäbe meinem Jüngchen die Rute, bis Blut floß. Soll ich ihm abbitten, dem armen Stümper? Ich habe ja nicht ihn gemeint, sondern andere ungezogene Kinder, die ich übers Knie legen möchte. Träume sind Schäume. Aber wenn ich mir vorstelle, daß ein

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