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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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im Land, die haben bei ihm gebettelt um Almosen – – wollte sagen: Darlehen, wo man wiederkriegt kaum de Zinsen, sechs Prozent. Als ich Se habe gesehen, Herr Beraun, hab ich gesagt zu mir: das is a scheener Mann, aber was de scheenenMänner sonst sind selten, a braver Mann, und was de braven Männer auch sind selten, a bedaitender Mann. Hab gehört, daß Se sind ein Feind von Israel, von de Emanzepation, was is das Gegenteil von dem, was sie haben genannt Ghetto, wo die Juden noch waren fromm nach der Lehre der Väter, und heut sind se Gottesleugner und lassen sich taufen und frisieren sich französisch und kleiden sich englisch, und jeder will heißen Beraun oder Graf oder sonst eppes Heidnisches von de Gojim. Ich sag' Ihne, liebster Exellenzherr, da frag' ich nix nach, ob einer haßt unsere Lait. Denn wenn er schwatzt, er liebt unsere Lait, will er machen a Geschäft oder heiraten eine Kalle vor sein Portemonnai. So einer sind Se nich, und, weiß Kott, ich schätze Se aufrichtig. Ich seh's Ihne an, daß Se sind a gediegener Mann, a treuer Mann und a guter Mann für Weib und Kind. Vorhin haben Se Blättchen gepflückt von de kostbare Pflanze, de koschere Pflanze (koscht mar 2000 bar), für Ihre hochgeborene Frau Gemahlin, die soll schützen Jehova. Da hab ich gelesen in Ihre Augen, die waren da ganz weich. Und sonst sind se fest und kalt, de Augen, wie von 'nem Geschäftsmann erster Güte. Werden Se sein ein graußer Geschäftsmann, nich in Papierche an der Börse, sondern in andere Papierche, die man nennt Staatsakte, und die just geradeso steigen und fallen, wie was gehandelt wird an der Börse. Das sagt Ihnen der alte Amschel, der is jung gewesen und alt geworden und kein Christenmensch und kein Judenmensch hat ihn je hinters Licht geführt. Leben Se wohl, Herr Beraun, und wenn ich noch bin am Leben, besuchen Se mal wieder den alten Mann, und wenn Se ihn mal brauchen in Geldsachen, dann seien Se willkommen. Hielt nie viel von Preußen, nix vor ungut, denk' dabei immer an Herrn v. Habenichts, aber nu wer' ich mer korrigieren. Muß ä faine Gegend sein, wo solche faine Laite herkommen. A scheener Mann und doch ä braver Mann, a braver Mann und doch ä bedaitender Mann, das is was Rares. Schlagen Se Ihre Feinde wie Simson, und gebe Jehova Ihne die Beute von Pfeil und Bogen!«
    An der Parktür Abschied nehmend, drückte Otto dem ganz gegen seine Gewohnheit redseligen Alten die Hand: »Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre hohe Meinung, die ich bei einem Herrn von Ihrer Welterfahrung zu schätzen weiß. Nur eins bitt' ich Sie: Sagen Sie's nicht den andern!«
    »Versteh' schon, de Konkurrenten!« Amschel lachte meckernd. »So is' recht, immer besonnen, der Herr Beraun. Sind se meine alten Kunden, de Herrn Österreicher, aber Gott soll mich strafen, wenn ich sage ein Sterbenswörtchen, daß Se sind ein gefährlicher Reisender von der Konkurrenz. Gott soll Se segnen auf alle Ihre Wege!«
    Aber Thun mußte doch ein Haar in der Suppe gefunden haben, das Schwarz-Weiß des Fremdlings schien ihm nichtschwarz-gelb nach Wunsch, denn Österreich wühlte in Berlin gegen seine Ernennung und steckte sich dabei hinter die liberale Presse. Da all seine Briefe im Schwarzen Kabinett des k. k. Postamts verlesen wurden, streute er regelmäßig Sätze in seine Briefe ein: »Dem Schafskopf, der diesen Brief erbricht, werden diese Notizen unverständlich bleiben.« Seine Korrespondenten, wie der Oberpräsident Senft v. Pilsach oder Kleist-Retzow, schrieben Politisches in orakelhaftem Ton und ohne Unterschrift aus zarter Rücksicht auf den Zensor, vulgo Postspion. Die allgemeine Spitzelei dieser schönen Zeit bewog ihn, seine Frau vor jeder auch nur flüsternden Bemerkung über Persönlichkeiten zu warnen. Das werde nachher in Sanssouci mit Sauce serviert. Thun nahm schon bedeutenden Anstoß an einem harmlosen Renkontre, das freilich eigentümliche Schlüsse darüber zuließ, daß der Vertreter Preußens (als solcher galt er trotz Rochows Weiteramten und dem immer noch Ausstehen des Ernennungspatents) sich nichts gefallen lassen wolle.
    In einer amtlichen Bagatellsache suchte Otto den Bundestagspräsidenten in seinem Amtsbureau auf und fand ihn unter Papieren vergraben und leidenschaftlich drauflospaffend.
    »Ach bitt' schön, warten's a bissel, liebster Geheimrat.« Thun wies mit der qualmenden Zigarre, die er nur einen Augenblick aus dem Mund nahm, nachlässig auf einen Sessel, arbeitete und schmauchte fort. Die Sorte, die er raucht, ist

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