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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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riesiger Germane als Schulmeister den Welschen und Verwelschten die Rute gibt, wie es dereinst vielleicht mal ein noch nicht Geborener tut, dann jauchzt mein deutsch-preußisches Herz.
    Ach Gott, die menschliche Bedürftigkeit! Da sehne ich mich nach meiner alten Nanne so sehr, daß ich zu Geschäften unbrauchbar sein werde. Und die Kinder! Dies Sorgen durchkreuzt mir jedes »Geschäft«. Absence makes the heart grow fonder , sagen die Engländer. Daß ich die verdammte Gewohnheit nicht los werde, bei jedem Schritt fremdsprachige Worte um mich zu streuen! Ich bin halt ein richtiger Deutscher, was ich von meinem großmächtigen österreichischen Kollegen in Frankfurt nicht sagen möchte, so gern er das gemütliche austriakische »Halt« in seine Ergüsse einstreut. Dieser tschechische Hochadel mit den deutschen Namen hat das Slawentum im Leib und kein Herz für die deutsche Sache.
    In Frankfurt lebt sich's bequem, doch ich gehöre nicht dahin,ich Stockpreuße lieb' nun mal meine Landsleute, die mit der Schnauze zwar nicht grob wie das Ausland lügen, aber stramm sind, dafür mit dem Herzen gut und warm. Hier im Süden ist alles fein und höflich mit der Lippe, doch das Herz möchte ich nicht untersuchen. Vielleicht tue ich den Frankfurtern unrecht. Die sind erstens reich und deshalb zweitens konservativ – eine Konservativität der Bourgeoisie, auf die ich spucke –, aber sind gutmütig und hätten wohl das Herz auf dem rechten Fleck, wenn man dies Herz nur zu packen wüßte. Leider alle österreichisch, die flotte Lebensart der Weißröcke zieht sie an. Nun, gegen die Tiroler Jäger hab' ich nichts, die in Frankfurt liegen (nach meiner Auffassung doch ausländische Soldaten). Die sind »gar lieb«, so lernt' ich sie schon in Salzburg kennen. Nun gut, das ganze Deutschland soll es sein, Tiroler sind weiß Gott Deutsche. Aber! Der Stoßseufzer wird nie verstanden werden, bis er Erfüllung findet – durch wen? Durch irgendein mäßiges Individuum wie mich? Nein, durch historische Entwicklung, wohl in hundert Jahren.
    Der gute Röder von Erfurt schreibt mir aus Homburg, daß er mir »sehr wichtige Mitteilungen« machen möchte. O Himmel! Wenn jemand uns so was schreibt, dann sind die Mitteilungen ungeheuer wichtig für ihn , nur nicht für uns. Mir ist überhaupt, als ob die ganze Vergangenheit hinter mir versänke. So hat mich aus allen Sommerträumen Gerissenen das Rad des Schicksals gepackt, vorbei sind Spiel und Tanz des Lebens, ein trockener Aktenjäger muß das Talent haben, alt zu werden, wenn er zu Amt und Würden kommen will. Die arme Nanne! Die nimmt als Gottes Prüfung hin, was anderen ein Ziel, aufs innigste zu wünschen: steif im Seidenkleid auf dem Ehrensofa hocken und Exzellenz geschimpft werden. Ich hab' mich nicht danach gedrängt, eine sogenannte hohe Person vorzustellen, die eigene Persönlichkeit liegt mir besser. Aber man muß seine Schuld an den Staat bezahlen, ohne dem lieben Gott in die Karten gucken zu wollen. Das läßt er nicht zu und tut wohl daran. Wenn ich im Spiegel der Zukunft sähe, ich sollte fortan bis an mein seliges Ende als Verfertiger von Aktentratsch versauern, wer weiß, ob ich nicht gleich den ganzen Kram an die Wand hinge. Aber auch Frankfurt wurde nicht an einem Tage gebaut, wenn's auch nicht Rom ist, und ich spüre so was von einem Baumeister, Stein für Stein.
    Die arme Nanne fürchtet sich vor der schrecklichen Vornehmigkeit hier für uns bescheidene Leute vom Lande. Bah, der biedere Schwabe forcht sich nit und verläßt sich auf seine Schwabenstreiche. Zur Rechten sah man und zur Linken einen halben Neidling heruntersinken. Preußen wird doch zuletzt der vornehmste bleiben, die Rüstung umgeschnallt und nicht den Geldsäckel. Dann wär' hier Rothschild der vornehmste. Und entkleidet man die diplomatischen Grandseigneurs ihrer Revenuen und Salärs, dann, nackt, wie sie Gott geschaffen, sehensie so wenig vornehm aus wie ein gerupfter Pfau. Mein weltliches, von allerlei Versuchung zerstücktes Herz soll nicht mein Führer sein zu äußerem Glanz. Wir sind auf Erden, um unsere Pflicht zu tun, und damit holla, alles andere hat keinen Sinn. Ja, da sitz' ich, und die deutsche Einheit ist weiter als je. Ich kann's nicht ändern und nichts dazu tun. Nichts? Hm, was ist denn meine Pflicht? Das wird Gott mir sagen. Wenn ich, wie letzte Tage, still zu Hause sitze und lese und einsam im Wald mich herumtreibe, dann kommt doch nicht eher Stille über mich, als bis ich jeden Abend die

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