Bismarck 01
gut! dachte der Kettenraucher. Und mir bietet er nicht mal eine an. Als nun eine Weile verging und Thun weiterblätterte und -kritzelte, blaue Rauchringel in die Luft stoßend, während Bismarck wie ein Bittsteller auf seinem Stuhl hockte, nahm dieser gelassen eine Zigarre aus dem Etui und forderte mit einer gewissen Schärfe in der Stimme: »Darf ich Sie um Feuer bitten?«
Thun machte große Augen, schob aber behend Kerze und Fidibus hin und seine Papiere beiseite: »Womit kann ich Euer Exzellenz dienen?« Otto erledigte die schwebende Frage kurz und höflich und empfahl sich mit ausgesprochener Kühle. Thun sah lange auf die Tür, hinter der die hohe Gestalt verschwand, in Gedanken verloren. Dann schüttelte er den Kopf und murmelte vor sich hin: »Bloß empfindlich oder gefährlich?« Dann ließ er alles stehen und liegen, um einen Geheimrapport nach Wien zu senden. Der neue Gesandte sei angenehm im Umgang, doch könne schroff werden, wenn er sich zurückgesetzt glaube, und da frage sich, ob dieser Unwille nur persönlicher Eitelkeit entspringe oder nicht vielmehr einem Würdegefühl für Preußens Stellung. Und was das besondere Österreichertum dieses sonderbaren Preußen anbelange, so mache er sich darüber schon eigene Gedanken. Es wäre ratsam, in Berlin alle Minen springen zu lassen, um seine Ernennung zu verhindern.
Die Gesandten der Kleinstaaten gingen ihm möglichst aus dem Wege. Redete er einen an, so schnitt der ein gravitätisches Gesicht und überlegte jede Antwort, und sei das Thema noch so gleichgültig,ob er nicht zu viel sage oder sich eine Blöße gebe. Jede Äußerung des Ungenierten gab Anlaß zu der Erwägung, ob man nicht darob ein Memorandum an den heimischen Hof zusammenbrauen könne, was höchstenorts als Pflichteifer wohlgefällig vermerkt werden dürfte.
»Jetzt haben wir also den bekannten Heißsporn hier! Wie gefällt Ihnen unser neuer Kollege?« fragte der badische Gesandte v. Marschall, der gern zwischen zwei Stühlen saß, den von Hessen-Darmstadt.
»Wie man's nimmt. Es empfiehlt ja den Herrn v. Bismarck jedem loyalen Gemüt, daß er so emsig daran arbeitet, uns den lieben alten Statusquo zurückzuführen. Aber, aber!«
»Ist er Ihnen zu preußischer Gesinnung verdächtig? Scheint doch nicht. Er ist beim Wiener Hof gut angeschrieben wegen seines Eintretens für die Olmützer Konvention. Hehe,« der liebenswürdige Diplomat dämpfte seine Stimme, »wer das herunterschlucken kann, ist fürwahr ein lieber, guter Mensch und recht ungefährlich.«
»Richtig! Aber sieht er Ihnen aus, verehrter Kollege, als ob er nicht einige Haare auf den Zähnen hätte? Sehen Sie, unser neuer hochgeschätzter Kollege ist gewiß konservativ bis in die Knochen. ›Antediluvianisch‹ schimpfen ihn die Demokraten, hehe! Aber er ist noch so jung – was soll man sagen – so grün. Und vor allen Dingen nicht vom Bau. Sozusagen ein Selfmademan, nie Diplomat gewesen.«
Herr v. Marschall nahm eine Prise. »Was Sie nicht sagen! Aber das ist ja rührend. Ein Anfänger unter erfahrenen Meistern vom Bau wird doch die natürliche Bescheidenheit bewahren, meinen Sie nicht auch? Das kann unsern Interessen nur lieb sein. Preußen als Herr v. Bismarck ist hier unter uns sozusagen ein etwas unmündiges Kind, das erst gehen lernt.«
» C'est cela! Glauben Sie wirklich, dieser lange Preuße wird am Lutschbeutel saugen? Dazu sieht er mir zu klobig aus.«
»Nun, wenn er strampelt, dann haben wir eine k. k. Amme. Unser erhabenes Präsidium, Österreich, der natürliche Protektor aller Souveränität der Mittelstaaten, wird dafür sorgen, daß in Notfällen auch eine Rute parat liegt.«
»Pst, pst, nicht so deutlich werden! Was ich fürchte, ist nämlich ein gewisser enthousiasme du départ , ein allzu feuriger Anfängereifer. Dieser gute Landjunker v. Bismarck ist ganz einfach ein Amateur und Dilettant in politischen Staatssachen. Solche Leute wollen anfangs immer hoch hinaus. Und dann hat er so was – wie soll ich sagen – so was Burschikoses. Tudesque! Man merkt ja nur zu wohl, daß er am grünen Tisch nicht zu Hause ist. Er möchte sich am liebsten die Hemdärmel aufkrempeln, der brave Landmann, und mit Gabel und Dreschflegeln hantieren. So taxier' ich ihn.«
» Fi donc! Nun sagen Sie bloß noch, teuerster Kollege, daß er die Mistgabel brauchen möchte. Wir sind doch kein Augiasstall, und er ist kein Herkules.«
»Die Statur hat er danach. Doch mit Muskulatur ist hier nichts getan, wir sind keine
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