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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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pflog die Hochfinanz wahrhaft bedeutende Gespräche über Lafitte und andere Pariser Bankhäuser, über die neue Anleihe von Peru, über Baring Brothers und die Verzinsung der englischen Nationalschuld. Teilnehmend und väterlich fühlte der Geldkönig den preußischen Finanzen den Puls, dagegen war er fest auf das kaiserlich königliche Budget.
    »Sie müssen es besser wissen«, holte Otto vorsichtig aus, »doch das Publikum sprach immer von Staatsbankerott.«
    »Wie heißt! Wird Österreich immer sein ein großer Herr. Nu ja, ein Kavalier macht Schulden, aber mir is ein schlampeter Kavalier immer sicherer als ein bescheidener Schlucker. Ach, was is for a graußer Herr der Fürst Schwarzenberg. Immer kulant und wußte, was er schuldet gediegenen Bankiers. Da will ich Ihnen erzählen eine faine Geschichte, Herr Baron oder soll ich sagen Herr Geheimrat oder richtiger Exzellenz, was is eine große Ehre vor mein Haus, den hohen Herrn Gesandten von der Großmacht Preußen an meinem bescheidenen Tisch zu sehen. Exzellenz kennen gewiß den Baron Haynau, Exzellenz und Feldmarschall?«
    »Nur per Renommee.« (Die Hyäne von Brescia!)
    »Ein graußer, aber ä grauser Mann. Der hat unsere Lait in Budapest ßu einer Kontribution verurteilt, die nicht war erschwinglich für die armen Mitbürger mosaischer Konfession. Und als se haben gebetet, hat er gebrüllt, der Tiger (Gott soll ihn verderben!), sie sollten sein froh, daß er nicht alle aufhänge. Da war ein Erleuchteter in Israel, der Großrabbiner. Hat er gesagt: Da müssen wir fahren nach Wien zu Rothschild. Und sind se gekommen ßu meinem Neveu und hat er angehört gnädig, wie er is, und hat er getröstet: Ich wer' mal kommen lassen den Schwarzenberg. Und am andern Tag, als die armen Juden sind gekommen ßu Audienz, da hat er ihnen aufgesteckt eine Leuchte in Israel: Ziehet hin in Frieden mit dem Gott Abrahams,Isaaks und Jakobs, jeder Kreuzer is euch erlassen, nix habt ihr ßu bezahlen. Sehn Se, das is nobel, so geht's zu in Österreich (soll es lange leben!) zwischen Kavaliere in de höchsten Kreise.«
    Dem Patriarchen bebte die Stimme vor Rührung.
    Übrigens war er sonst ein gemütlicher und wohltätiger alter Herr, dem man nicht gram sein konnte, obschon die Dynastie Rothschild ihre natürlichen Grenzen mit einer reißenden Schnelligkeit erweiterte, als wäre sie die große Nation, die laut Talleyrand und Napoleon »nur die Grenzen anerkennt, welche die Natur selber gesetzt hat«, eine etwas unnatürliche Ausdehnung. Ja, so geht's in Österreich, so geht's in der Welt, der Schacherjude regiert. Und gerade weil der greise Stammeshäuptling der regierenden Familie nichts sein wollte als Proßentchemacher, darum gefiel er Otto leidlich, und er ehrte die peinliche Sorgfalt, womit der streng Orthodoxe von seinem Diner nichts anrührte und nur Gekoschertes aß.
    »Wollen uns machen eine Motion, Herr Beraun, 's hilft für de Verdauung, will Ihnen zeigen mein kleines Gärtchen, was is mein Augentrost. Ich bin so für Natur, Herr Beraun Johann, nimm epps Brot vor die Rehjer«, beauftragte er den nachfolgenden Bedienten. Das kleine Gärtchen war natürlich ein großer Park, in dem es von zahmen Rehen wimmelte und die Flora sich endlos entfaltete wie ein Kurszettel Rothschildscher Börsenwerte. »Die Pflanze hier koscht mich 2000 Gülden, uf Kavaliersehr' 2000 bare Gülden, lass' Se Ihne vor 1000 oder wolle Se habe geschenkt, soll er Ihnen bringen ins Haus, der Johann.«
    »Verbindlichsten Dank, aber ich habe bei mir nicht Platz.«
    »Gottswunder, ein feiner Herr, der nichts will haben geschenkt. Sonst kommen de Lait und wollen nur haben eppes geschenkt vom alten Rothschild.« Das magere eisgraue Männchen zwinkerte schlau mit den Äuglein. »Meine Herrn Neveus aus Wien und London und Paris machen nur Visite dem alten Mann, wenn se wollen epps geschenkt. Bin sonst ßu unfein vor die Herren Neveus. Habe nich Kind noch Kegel, meine gute Sarah is gegangen lange in Abrahams Schoß, und da sitz' ich in mein' Palais und habe so viel Milliönchen, und alles erben die Herren Neveus, die kein Herz haben für den alten Mann.«
    Tiefbewegt sah Otto auf den armen Teufel nieder, der inmitten seiner Schätze verhungerte. Denn was ist solch ein Leben als seelischer Hungertod! Er sagte ihm ein paar tröstende Worte, von Herzen kommend. Der Alte sah ihn dankbar an: »Waiß Kott, hab' ich mer nicht getäuscht, der alte Amschel täuscht sich selten, ßu viel Lait hat er gekannt, die Fürnehmsten

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