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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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die ihnen See- und Finanzmacht raubten und sie für immer von ihrer Höhe herabstürzten! Wenn man die Menschen prügelt, dann liebt man uns. Voilà les hommes! wie der selige Napoleon sagte, der sich auf derlei verstand und in Fontainebleau den entsetzlichen Hohn seinem Volk ins Gesicht spie: »Wenn man dem Kaiser vorwarf, daß er die Menschen verachte, so wird man jetzt wohl zugestehen, daß er einigen Grund dazu hatte.« Die Holländer sind ein großes Volk gewesen, nie hat ein numerisch so kleines Volk eine solche Großmacht aus sich herausgeschält. Die herrschende See- und Finanzmacht, auf Kosten der deutschen Hansa, hatte ihre Flagge auf allen Meeren, an allen Küsten. Das sollte zu denken geben, was germanische Kraft vermag. Aber auch darin sind sie echte Germanen, daß ihre störrige Michelei sich in fixe Ideen verbohrt und sie den Wald vor Bäumen nicht sehen. Jedes gesunde Gefühl müßte sie unversöhnlich gegen England machen, jede vernünftige Überlegung ihnen sagen, daß sie nur im Anschluß an Deutschland ihre alte Bedeutung zurückgewinnen können. Doch weit gefehlt! England ist Trumpf, und der Deutsche ist ein »Muff«. Über seinem Bett hing ein Bild der Himmelfahrt mit der sonderbaren Unterschrift: »Verreißniß van den Heyland«. Ja, wer auch so »verreisen« könnte aus dieser irdischen Misere! Dazu muß man erst gekreuzigt werden, den Kelch zur Neige leeren und gebetet haben, daß dieser Kelch an uns vorübergehe. Und wie Elias im feurigen Wagen des Ruhmes gen Himmel fahren unter Donner, Blitz und Orkan, wie die Natur beim Tode Napoleons, Cromwells, Byrons ein Zeichen gab, das wird so selten Sterblichen zuteil. –
    Und nun saß er in Norderney und horchte auf Kindergeschrei und Sturmheulen um eine Flaggenstange am Giebel. Doch auch hier fand er außer seiner Seenymphe viele überlästige Bekannte. Serenissimus der Herzog von Nassau und Prinz Friedrich von Hessen waren überglücklich, in ihrer steifen Einsamkeit einen standesgemäßen Bekannten zu treffen, und beehrten Seine Exzellenz mit langem Besuch, wobei auch allerlei leeres Stroh über deutsche Einheit am hohen Bundestag gedroschen wurde. Im übrigen zog sich hier jeder in seine Koje zurück wie der Dachs in seinen Bau. Otto las viel Romane, darunter die brandenburgischen eines gewissen Wilibald Alexis, der wenig Verbreitung im löblichendeutschen Publikum hatte, das immer nach jedem Quark greift und einen wunderbaren Instinkt für »Kitsch« hat. Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß der hochgebildete Deutsche seine großen Autoren erkennt, solange sie leben. Denn nach dem Tode – nie ohne dieses! Die Lieblinge der Deutschen sind alle unsterblich – solange sie leben. Sie schauen Kotzebues Geist bei Philippi wieder, und der schlechte, elende Geschmack hoher Herren, die den miserabelsten Kitsch als Leibspeise zu sich nehmen, käut ihnen ihre Modekost vor. In keiner Nation wäre das Schicksal Heinrich v. Kleists möglich gewesen, in keiner wäre ein naiver Kitscher wie der gute Körner zu einem Klassiker erwachsen, in keiner hätte die »gute Gesinnung« eines Freiligrath, dieses Verskommis für Kolonialwaren, einen Heros deutscher Dichtung geschaffen. Den Germanen, der eigentlich und einzig genialen Rasse, fehlt jeder Instinkt für das Geniale, solange es sich leiblich und lebend darstellt. Darin stehen die Romanen höher, nur daß sie ihre Talente für Genies halten. Eine Art Farbenblindheit für alles Bedeutende, solange es nicht durch Presseschwindel oder staatlich durch Titel geeicht, kennzeichnet den deutschen Philister, obschon er im Grunde ein gescheiter Kerl. Nur in Deutschland konnte der Philisterhochgesang entstehen: »Das Genie bricht sich immer Bahn« oder »das wahre Genie ist bescheiden«. Das ist es allerdings, wenn man es nur abseits in Stille schaffen läßt, aber gegen Lumpenhunde war es noch nie bescheiden, und Goethe bekennt: Nur die Lumpen sind bescheiden.
    Otto erinnerte sich, wie Feldmarschall v. Boyen, ein hochgebildeter Mann und Meister eines kernigen, vornehmen deutschen Stils, in einer Gesellschaft seufzte: »Heut dichtet jeder. Da ist unser lieber guter Polizeirat W. Häring, ein vortrefflicher Beamter. Muß der arme Mann Romane schreiben, und zwar vaterländische! So etwas hätte der Baron Fouquet leisten können oder Achim v. Arnim, aber dem guten Willibald Alexis, wie er sich nennt, fehlt jede poetische Ader.« Und nun las Otto im »Falschen Waldemar«, wie sehr einem der größten Dichter

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