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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Offizier aus Berlin, den langen Lehndorff. »Ja, die Leute sind uns hier nicht besonders grün,« belehrte ihn Brockhausen, »man sollte denken, sie hätten von den Franzosen genug gehabt. Doch das Blut der gemeinsamen Sprache ist offenbar dicker als Wasser, denn eigentlich blutsverwandt sind ja die schwerfälligen Wallonen gar nicht den Franzosen, die sich über deren Sprachfehler mokieren.«
    »Geradeso wie über die der Welschschweizer«, flocht Werthern ein. »Die sind auch schwerlich Blutsverwandte, obendrein trennt die Religion, und doch erproben wir ja bei der Neuchâteler Frage, daß sie alle nach Frankreich gravitieren.«
    »Und daß Blücher hier die Belgier befreite, ist ihnen ganz entschwunden, Wellington und kein Ende!« bemerkte Lehndorff unmutig. »Wenn ich nur wüßte, was wir den Leuten getan haben, daß man überall in Holland, Belgien, der Schweiz unsinnigem Mißtrauen begegnet.«
    »Es ist die Suggestion der französischen Presse«, urteilte Otto gelassen. »Solange alle Welt Französisch liest und nichtDeutsch, wird man jede Verleumdung hinunterschlucken wie der Fisch den Köder.«
    Und nun tat er, weshalb er nach Brüssel kam. Er wollte auf dem Feld von Waterloo stehen. Also hier, in dem Jahr, wo er selber geboren, stürzte der fränkische Aar mit gebrochener Schwinge. Doch die gestutzten Flügel wuchsen ihm wieder, und dies unruhige Volk der Gallier wird nie sich friedlich niederlassen. Ob Richelieu, Ludwig XIV., Revolution, Napoleon, sie haben immer den gleichen Drang, ihren Nachbarn das Fell über die Ohren zu ziehen und dabei von edelsten Phrasen zu triefen. Bravement se battre et finement parler. Und die Welt geht auf den Leim, daß Brutalität an der Spitze der Zivilisation marschiert, wenn sie dabei nur schöne Reden hält. Es ist zum Weinen, wie sich das Franzosentum in den Köpfen fremder Völker malt, die gar nichts von dieser Rasse wissen, z. B. Madjaren und Rumänen. Und wo man ihre grausame Tatze spürte, in den Niederlanden und Italien, bleibt unausrottbar die Kinderlegende von französischer Ritterlichkeit und Freiheitsidealismus. Daß Gott erbarm! Keine andere Nation würde sich die Tyrannis dieses Louis Napoleon gefallen lassen, für die man schon bis Dionys von Syrakus zurückgreifen muß, um passenden Vergleich zu finden. Und das sogenannte freie England, das sich ja freilich auch bei jedem Seeräuberzug auf Menschlichkeit und Frömmigkeit beruft, die gleiche Taktik in anderer Auflage, paktiert jetzt innig mit diesem Freiheitsmörder. Waterloo! Eine deutsch-britische Allianz werden wir nie wiedersehen, aber Franzosen und Briten drücken sich brüderlich die Hand. Wie soll das enden! Wie soll man das unglückliche Deutschland durch solche Klippen lavieren! Das müßte ein Lotse sein besonderer Art, wie man ihn schwerlich findet. Und ohne günstigen Wind Gottes kann es nie gelingen. –
    *

Er fuhr jetzt nach Amsterdam, um von dort nach Norderney an den wogenden Busen seiner angebeteten Seenymphe zu eilen. Doch verband er damit ein Stelldichein, das sein Freund Schele, jetzt tonangebender Minister Hannovers, sich dringend ausbat für ein gewisses Angebot. Niemand wußte darum. Nur unter bestimmter Bedingung wäre Otto nicht abgeneigt gewesen, darauf einzugehen. Er mußte also prüfen. Holland durchblätterte er wie ein altes Bilderbuch und beschrieb das seltsame nordische Venedig mit dem Stift eines Malers und Poeten in prächtigem Brief an Nanne, die vielleicht jetzt fern auf dem Eigergletscher die Jungfrau bewunderte. Damals bestand freilich noch nicht das heutige Farbenspiel zinnoberroter Backsteinerker-Türmchen-Kaminschornsteine auf violett oder kaffeebraun angestrichenen Häusern, der rostige Schimmer der vom schmierigen Wasser der Grachten angehauchten Kanalalleen. Doch das Labyrinth winkliger Kanäle, der Mastenwälder wirkte wohl gespenstiger und verworrener alsheut. Otto dachte an Rip van Winkle, wie ihm einst Motley das Märchen Washington Irvings vorlas. Wenn so ein Heutiger verschwände und nach einem Lebensalter ins deutsche Land heimkehrte, wie würde er das künftige Deutschland finden? In Groningen, Westfriesland, erglühte er platonisch für Milch und Blut liebreizender Bäurinnen mit helmartiger, vergoldeter Haube. Welch ein germanischer Schlag! Aber auf ihre germanischen Brüder sind die Holländer schlecht zu sprechen und behaupten eifersüchtig, ihr Platt sei eine besondere Volkssprache, und haben eine tiefe Zuneigung für die edeln, vornehmen Engländer,

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