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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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wie sie meist im diplomatischen Verkehr üblich, wo man zwischen den Zeilen lesen soll.
    »Frankreich und Preußen, dessen Institutionen, Rechts- und Schulpflege ich genau studierte, stehen unstreitig an der Spitze der Zivilisation«, begann er mit langsam schleppendem Ton, wie denn überhaupt eine gewisse Schwerfälligkeit und Bedächtigkeit auf seine väterliche Abstammung von einem Mynheer (Admiral Verhuell) schließen ließ. »Im Durchschnitt der Bildung seiner Bevölkerungsschichten steht Preußen groß da.« (Unermeßlich höher als Frankreich, oben Halbbildung, unten gänzliche Unbildung. In England nicht viel anders, nur daß die Bildungsschicht dort tiefer und gründlicher angelegt. Würde das vielleicht Gallier und Briten hindern, uns Barbaren zu schimpfen? Bah, wenn man von deutscher Bildung und Gelehrsamkeit schwärmt, muß der Deutsche sich in acht nehmen. Ich möchte lieber, der gute Freund hier rede von den preußischen Waffen.) »Beide schönen Kulturen sind aufeinander angewiesen. Das sollte uns Richtschnur sein. Ich selbst bin ganz den Künsten des Friedens hingegeben, das Kaiserreich ist der Friede.« O weh, er bläst die Friedensschalmei, das Thermometer zeigt also auf baldiges Unwetter. »Unsere Grenzen berühren sich ja nicht.« Gottlob, Belgien und Luxemburg dazwischen, sonst hätten wir morgen Besuch in Aachen und Düsseldorf. »Unsere Interessen divergieren nirgends.« Ein kurzes mattes Aufleuchten des umschleierten Blicks. »Nicht wahr?«
    »Im Gegenteil, statt sich zu kreuzen, könnten sie sich vereinen.«
    »Gut gesagt. Wir hatten ja jüngst eine kleine Mißhelligkeit. Es war mir unlieb, ja schmerzlich, daß gerade Preußen, ein solches Kulturland, nicht im Anschluß an uns die Waffen gegen den ewigen Kulturunterdrücker im Norden erhob.«
    »Eure Majestät verkennen vielleicht unsere schwierige Lage.«
    »Keineswegs,« Louis winkte hastig mit der Hand ab. »Beschwerden wünsche ich nicht vorzubringen. Mir scheint, daß von gewisser Seite ein taktloser Druck geübt wird. Mit mir allein, würde Preußen sich viel leichter verständigen.«
    »Sie sind sehr nachsichtig, Sire, doch fallen unsere Sünden unter das Shakespearewort: More sinned against that sinning .« Er wußte, daß Louis vom langen Londoner Aufenthalt her gut Englisch konnte. Seine Geliebte, Miß Howard, die er nachher schnöde sitzen ließ, gab ihm Stunden genug.
    Der Kaiser lächelte. »Sehr gut! Ich verstehe Sie.« Er erhob sich schwerfällig vom Tisch. »Wir reden wohl noch öfter im Leben darüber.« Er nickte freundlich und entschwand. Er wußte nun, was er wissen wollte, daß dieser trotzige Herr unter Österreichs Kränkungen litt und wahrscheinlich Rache kochte. Daß er aber dies wissen sollte nach Ottos Wunsch, wußte er nicht.Dagegen wußte Otto, daß man ihm sein eigenmächtiges Anbändeln mit »Bonaparte«, dem er offenbar die Cour machte, in Berlin arg verdenken würde. Als er in Koblenz dem zum Dombaufest reisenden König seine Frau vorstellte, verhielt sich dieser zwar freundlich: »Ich lade Sie und Ihre Gemahlin zur Rheinfahrt nach Köln ein.« Aber die Königin nickte kaum merklich und gab Anzeichen allertiefster Ungnade. Fürstliche Damen haben selten die Selbstbeherrschung ihrer seit früher Jugend auf würdevolle Zucht gedrillten Gatten. Auf der Rheinfahrt und als es in Remagen zur Tafel gehen sollte, züchtigte die geliebte Landesmutter den charakterlosen Streber echtweiblich durch beleidigendes Ignorieren seiner armen Frau, so daß Johanna in den Boden sinken wollte und die Hofschranzen sie ängstlich mieden.
    Gerlach nahm ihn beiseite: »Verlasse dich auf Fürsten nicht! Doch wie konnten Sie nur! Wer einen Pakt mit dem Satan schließt –«
    Der Thronfolger trat hinzu: »In Paris gewesen, lieber Bismarck? Wie gefiel es Ihnen dort?« Halblaut befahl er: »Sprechen Sie offen! Will der neue Herr sozusagen die Stiefel seines Onkels anziehen?«
    »Ich zweifle, Königliche Hoheit. Für riesige Erobererschritte ist er nicht gemacht. Solcher Impuls als Naturinstinkt beherrscht ihn nicht, überhaupt liebt er mehr das Kalkulieren, vielleicht auch das Intrigieren, als das rauhe Zugreifen. Er ist kein Feldherr, und im Krieg würde seine Armee, auf der seine Diktatur beruht, mehr einem siegreichen General als ihm zujubeln. Ich sage durchaus nicht, daß er nicht Kriege plant, doch er wird sich dazu nur entschließen, wenn innerpolitische Motive ihn zwingen.«
    Prinz Wilhelm hörte aufmerksam zu. »Das klingt

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