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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Semilasso, dessen farbige Berichte aus vielen Landen in sechs Bänden einst auch Ottos jugendliche Lesewut verschlang. Hier stand ein ziemlich klapperiger alter Herr mit sehr viel Orden und ausgestopften Waden. –
    Die Visiten in der preußischen Botschaft nahmen nie ein Ende, die Dinereinladungen ebensowenig. Der derzeitige Ministerpräsident, Graf Walewski, bei dem er tafelte, erregte Ottos Neugier durch seine fabelhafte äußere Ähnlichkeit mit seinem wirklichen Vater, dem großen Korsen. Dieser wirkliche Napoleonide mußte sich aber begnügen, dem Hortense-Bankert die Stiefeln zu putzen. Man hatte ihn als Fassade gewählt, dahinter steckte nichts, denn in den klassischen Zügen Walewskis thronte die leere Mittelmäßigkeit. Ein Napoleonkonterfei, nur der heilige Geist fehlte. Übrigens ließ sich Otto erzählen, daß Prinz Jérôme, Sohn des Exkönigs von Westfalen, auch seinem (wirklichen) Onkel wie aus dem Gesicht geschnitten sei und daher als General in der Krim sich in bekannter Pose, die Hand auf der Weste oder beide Hände auf dem Rücken, den Truppen vorstellte. Als aber die Kanonenkugeln flogen, bekundete er die entschiedenste Abneigung dagegen, und damit c'est fini , so was können die Franzosen nicht vertragen. C'est le ridicule que tue. Seltsames Rätsel! Wer sieht einem Menschen an, ob er ein Genie sei? Die gleichen Gesichtszüge, in allem der gleiche Typ, nur Walewski und Plonplon (Jérôme) zwei Köpfe größer, und nichts mehr vom heiligen Geist, verflogen ist der Spiritus.
    So sann er in der Mondnacht im Garten des Gesandtschaftshotels, hoch über der Seine, über welche die Lichter des Tuileriengartens blinkten. In der Ferne spielte eine Militärkapelle den Chant du Départ, dessen Text jetzt für die im Orient Kämpfenden etwas besser paßte als sonst: Partant pour la Syrie! So war dies prächtige Babylon wieder ganz napoleonisch, die Legionen Cäsars zogen fröhlich übers Marsfeld oder durch den Triumphbogen. Über die Elysäischen Felder (Frankreich muß immer alles mit olympischen Namen verbrämen) ragte die Vendômesäule mit dem kleinen Mann im großen Hut. Geht die Gloire wieder an? Der Tiger hat Blut geleckt, die Regierung Napoleons des Kleinen bedarf geradeso des Glanzes wie einst die Diktatur des Großen. Das wird nicht der letzte Krieg sein, den er anzettelt. Nachdem er jede Spur von Freiheit mit Stumpf und Stiel ausgerottet und nur die leeren Hülsen »Plebiszit« »durch den Willen der Nation« übrigließ, wird er den Galliern so viel spartanische schwarze Suppen mit Bluttinktur einbrocken, daß sie sich überessen und eines Tages vomieren werden. Rußland gedemütigt, kommt dann wohl Österreich an die Reihe, möglichenfalls dann wir, wenn er's der Mühe wert achtet. Ich sehe schon den ewigen Frieden mit Grabesstille in Europa, ehe denn der gallische Hahn dreimal kräht. Und wir werden der betrübte Petrus sein, der feige beiseite schleicht. Mit England wird er nicht anbinden, die beiden Weltschwindelfirmen verstehen sich zu gut, um einander Konkurrenz zu machen. Natürlich fechten sie für die Befreiung vom Zarismus, nächstens für Befreiung Italiens, übernächstens für Befreiung Deutschlands. Wie der andere sagte: »Ich will, daß Sie frei seien, ganz frei in Ihren Beratungen, darum habe ich Ihnen eine Schildwache vors Tor gestellt.« So wird unser lieber Bundestag unter französischen Bajonetten beraten, was Deutschland frommt, nämlich ein neuer Rheinbund. Barmherziger Gott, nimm diese Schande von uns! Es ist ja so schwer, über alle Maßen schwer, das Unheil abzuwenden, das sich riesig heranwälzt. Aber Gott kann helfen und die Verderber mit Blindheit schlagen.
    Otto stand auf und knöpfte sich den Rock zu, ein frostiger Wind wehte von der Seine her, wahrscheinlich durch einen Blizzard im Kanal hierher verschlagen. Hocherhobenen Hauptes ging er zur Ruhe und betete: Du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge worden und die Erde und die Welt geschaffen worden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. –
    Bei der ersten flüchtigen Begegnung war es nicht geblieben, er hatte noch mal das Vergnügen, auf einer Hoffestlichkeit vom Oberzeremonienmeister bedeutet zu werden: »Seine Majestät der Kaiser wünschen Sie morgen in Audienz zu sprechen.« Die Unterredung konnte natürlich nur kurz und, da Otto unmöglich ohne Beistimmung seines Hofes offizielle Audienz erbitten durfte,unverbindlich sein. Der Empereur beschränkte sich auf jene allgemeinen Redensarten,

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