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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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moralisch zugrunde gerichtet, ihm jeden Rest von Idealität gestohlen, so wie er eben alles stahl. Er überzuckerte jede Frechheit mit herzloser Heuchelei, baute die breitesten Boulevards und riß die engsten Winkel nieder, wohin noch Tugend und Anstand sich flüchten konnten. Er erzog ein Prätorianerheer, das sich noch gegen die Kommune mit Schande bedeckte, weil sein giftiger Odem in ihm fortlebte. Ein ungeheurer Schmutzfink, besudelte er das ganze Staatswesen. Und diesem Menschen hat man Treue gegen seine »Freunde« nachgerühmt. Er hatte keine, nur Spießgesellen. Vierzigtausend Räuber schauten von der Pyramide seinesEmpire herab und verlangten freilich vom Räuberhauptmann »Treue«. Wie es damit stand, bewies der Tod St. Arnauds, wo der »brave« Canrobert unterm Kopfkissen des sterbenden Obergenerals Geheimpapiere stehlen mußte. Stehlen war immer die Losung. –
    Alles vergebens. Der traurige Manteuffel opferte jede Scham, unterschrieb alles, um nur als zudringlicher Bettler, der vor der Tür gewartet, zur Pariser Konferenz zugelassen zu werden, wo Preußen als fünftes Rad am Wagen kläglich herumholperte. »Schamade und Waffenstreckung!« stöhnte Otto auf, als er die letzte Instruktion erhielt, die ihm wenigstens ersparte, persönlich als Unterhändler nach Paris abzugehen. Dafür waren ja in der Tat angesehenere Diplomaten von höherem Range vorhanden. Er bekam ein heftiges Gallenerbrechen, das sich während 24 Stunden wiederholte. Preußen in Deutschlands Augen noch mehr gedemütigt, als Großmacht kaum mehr geduldet, so schloß all sein Mühen und Sorgen am Bundestag, das vierjährige Ringen eines einzelnen für sein Vaterland, dem fortwährend falsche Freunde und Schwächlinge in den Rücken fielen. Danach erhob er sich, wie ein rechter, starker Mann nach einem schweren Schlag, der ihn niederwarf, aber ihm nicht die Knochen brach, und schrieb bei Lampenschein in seinem Studierzimmer das glänzende Meisterstück eines staatsmännischen Pro Memoria an den König, das nie seinesgleichen hatte. Nun gerade nicht! Und nun werd' ich mich mit dem Teufel selbst verbünden. Das Licht fiel auf die hohe, kahle Stirn wie ein Strahl von oben, als sein grimmiger Genius über ihn kam.
    Mit prophetischer Klarheit sagte er zwei Kriege voraus, die zuerst Österreich aus Italien, dann auch Deutschland vertreiben würden. Sobald Krieg ihm nützlicher erscheine als Frieden, werde Napoleon die italienische Frage als Vorwand zum Zwist aufrollen. Zurzeit ziehe er Frieden vor, und alle Mächte wetteifern im Buhlen um seine Gunst. Da darf Preußen nicht dahinten bleiben. Wir müssen alles tun, ihn zu versöhnen und ihn für uns zu gewinnen. Mit Rußland oder Österreich könnten wir jederzeit marschieren, wie es fällt, doch um Frankreich muß man sich bemühen, und Allianz mit ihm wäre das beste für uns. Man sollte Napoleon den Schwarzen Adlerorden senden oder ihn zu einem großen Manöver einladen, das schmeichelt ihm. (Für einen hochgebildeten Mann wie ihn hat der Staat Friedrichs des Großen immer einen gewissen Nimbus.) Am meisten sei das Natürlichste zu fürchten, Franko-Russische Allianz, doch ständen da gottlob dynastische Gründe dazwischen, und es müßte unser Bestreben sein, solange wie möglich diese Nachbarn in Ost und West auseinanderzuhalten. Keinenfalls aber darf man uns je wieder unter Frankreichs oder Rußlands Gegnern treffen. Denn selbst wenn wir damit auf der Gewinnseite wären, wofür föchten wir? Für Österreichs Übergewicht und das unselige Phantomdes Deutschen Bundes, der nur dem Namen nach ein Bund. Oft genug im letzten Jahrtausend focht der deutsche Dualismus – nicht von Norden und Süden – einen unerträglichen Zwist mit dem Schwert aus. Und in unserer Gegenwart ist dies der einzige Weg, wie die Uhr richtiggestellt werden mag. In nicht ferner Zeit müssen wir mit Österreich um unser Dasein ringen, und es steht nicht in unserer Macht, dies zu vermeiden. Deshalb wäre es schon unheilbarer Wahnsinn, durch ewige zahme Selbstverleugnung unsere eigene Wohlfahrt für Österreichs Integrität aufs Spiel zu setzen, in einem obendrein hoffnungslosen Kampf. Wir müssen vielmehr den preußischen Planeten mit der aufgehenden Sonne des Empire verknüpfen, dann wird Österreichs Stern sicher erbleichen.
    Das alles führte er in großen Zügen aus, meisterlich und klar. Die Feder flog bis zum letzten Punkt. Als sie seiner Hand entsank, ging das Licht aus, nur die Sterne strahlten herein. Nacht muß

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