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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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bestreitet ja niemand, auch nicht die vorlauten Frenchmen. Die Deutschen – kenne ich nicht, nur Preußen, Bayern, Hannoveraner. Das sind zu viele Vaterländer für eine Nation.«
    »Einst im heiligen Römischen Reich,« bemerkte ein angehender Diplomat, der wohl in Oxford historische Vorlesungen hörte, da man sonst von jedem Briten die gesundeste, vollkommenste Unkenntnis aller Kontinentalgeschichte erwarten muß, »spielten die Deutschen ja eine gewisse Rolle. Doch England und Frankreich waren ihnen stets so weit voraus in höherer Kultur.«
    »Bitt' um Verzeihung!« trumpfte der junge Deutsche auf. »Bis zur Reformation sind nur Deutschland und Italien Kulturträger gewesen. In England beginnt die Hochkultur mit Elisabeth, in Frankreich kaum erst mit Franz I.«
    Die Briten starrten mitleidig den sonderbaren Schwärmer an. »Seit Jahrhunderten –« »Nun ja, der Dreißigjährige Krieg hat uns zurückgeworfen. Doch heut haben wir's nachgeholt und sind sicher geistig jedem Ausland gewachsen. Sehen Sie unsere Universitäten!«
    »Viel Bier und Schlägerei!« Der Herzog rümpfte vornehm die Nase. »Oxford, Cambridge, Edinburgh sind doch anerkanntermaßendie ersten Universitäten der Welt, genau so wie unsere Flotte und unsere Armee, die allein den Korsen überwand.«
    »Da muß ich doch sehr bitten!« Der lange Preuße erhob sich vom Tische, bleich vor Ärger. »Preußenschlachten haben natürlich keine Bedeutung, weil nach Gottes unerforschlichem Ratschluß nur britische Waffentaten gelten. Aber bei uns zu Hause lehrt man, daß Lord Wellington bei Waterloo eklige Prügel bekommen hätte, wenn Blücher ihn nicht aus der Patsche riß. Ich habe die Ehre, mich Euer Gnaden zu empfehlen und meinen verbindlichsten Dank zu sagen.«
    »Sah aus, als wollt' er boxen, dabei doch gute Formen!« Der britische Hocharistokrat sah dem Jüngling anerkennend nach, der hocherhobenen Hauptes davonschritt. »Wenn mehr von der Sorte in Preußen sind –! Doch ich sage ja: ganz Engländer!«
    Englische Boxerfähigkeit wenigstens betätigte der forsche Otto bald genug bei öffentlicher Gelegenheit. Als eine Prozession seinen Weg kreuzte, hielt er es als treuer Protestant für überflüssig, Kniebeuge der katholischen Bevölkerung mitzumachen, und zog nicht mal den Hut, da ihn seiner Meinung nach ein fremder Ritus nichts anging.
    »Verdammter Preiß, wirst du wohl deinen Deckel vom Kopf rucken?« rempelte ihn ein fanatischer Kleinbürger an und wollte ihm mit der Faust den Hut vom Kopfe schlagen. Doch im nächsten Augenblick lag er auf allen vieren in der Gosse, und dem beginnenden Volksauflauf drückte der athletische Junker eine so koriolanische Geringschätzung aus, daß niemand sich an diesen Champion heranwagte. Graf Arnim erhob freilich freundschaftliche Vorstellungen, erteilte ihm einen leichten Verweis, daß er die Würde eines Regierungsvertreters verletzt habe, und war vielleicht froh, als der allzu urwüchsige Referendar nach Ablauf seines Kurses den Fuß wieder nach Norden setzte. Ins Regierungskollegium nach Potsdam versetzt, erwarteten ihn auch dort Ernüchterung und Enttäuschung.
    Zuvor aber eine ganz andere freudige Überraschung.
    »Lieber Baron Bismarck! Wir trafen kürzlich den Herzog von Cleveland, der Sie in Aachen kennen lernte. Er sprach sehr schön von Ihnen und weiß, daß sich durch Wohlwollen einflußreicher Personen Ihnen günstige Aussichten auf glänzende Laufbahn eröffnen. Führt ein edler Ehrgeiz als Lotse Ihr Steuer, so werden wir gern aus der Ferne Ihr Wimpel beobachten. Sollten Sie aber zu einem Abstecher in ausländische Meere Lust haben, so würde es uns freuen, wenn Sie ein wenig im Kielwasser unserer Fahrt segelten. Sie haben gewiß Urlaub in dieser Ferienzeit. Unserem Verwandten Lord R. begegneten wir nämlich schon in Como, unerwarteterweise auf Rückreise nach England. Seither führen wir ein Wanderleben. Isabellas Onkel, der bei ihr Vaterstelle vertritt, nahm uns unter seine Fittiche. Neuerdings gedenken wir durch Belgien und Frankreich oder durch dieSchweiz uns nach Italien zu wenden. Wenn Sie Ihr Urlaub etwa nach Zürich führen könnte, so würden Sie dort finden sowohl Isabella, die Ihnen sehr freundliche Grüße sendet, als Ihre ergebene Adelaide Russel.«
    Yours truly! Treulich den Koffer packen und von Arnim Urlaub auf unbestimmte Zeit erbitten, war das Werk weniger Stunden. Hoch klopfte ihm das Herz, als ihn der Züricher See seinem Ziel entgegentrug. Ja, er wollte den Kurs ändern, die

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