Bismarck 01
angebliche Ärmlichkeit von Schönhausen, indem er nochmals ein Panorama davon entwarf:
»Steigt aus meiner Linken der Zigarrendampf durchs Fenster, so blicke ich nordwärts in einen sehr altertümlichen Garten der Rokokozeit voll Buchsbaum, Taxus und anderen Künsteleien von Lenotres Schere, voll Bassins, hohen Baumgängen, Sandsteingöttern, drüberhin auf dem hohen Elbufer das Städtchen Arneburg. Blick' ich hingegen vom Südgiebel, seh' ich Tangermünde, im Westen den Dom von Stendal. Nach innen zeigt unser Haus gewaltige Grundmauern noch aus dem Dreißigjährigen Krieg, uralte Quadern dicker Seitenwände. Darüber Tapeten von Damast, Leder und Leinwand mit Landschaftsmalereien, am Sims Wandgemälde und reiche Stukkatur, überall Eichenmöbel mitverblichenem Seidenbezug, kurz einen Zuschnitt, der einem glänzenden Vermögen der Vorgänger entspricht, das wir leider nicht voll überkamen.« Ah, ein wirklicher Herrensitz! dachten die Damen befriedigt. Ramponiert, aber riesig vornehm! »In Flurhalle, Gartenzimmer, weiß tapeziertem Speisesaal, grünem Wohnzimmer, Schlafzimmer mit rotem Vorhang vor dem Alkoven, wo Ihr untertäniger Diener das spärliche Licht dieser dunkeln Welt erblickte, in den Gesellschaftsräumen mit japanischer Ausstattung und Gipsabgüssen nach Rauch und Kiß«, fuhr Otto fort, in Erinnerung verloren, »überall Verschwendung von Stuckarbeit an Decken, Friesen, Kaminen, Türeinfassungen, hohen Kachelöfen. Mein Vater, der bei den blauweißen Karabiniers diente und heut noch gut zu Pferde sitzt, liebt Fuchsjagden mit Rossen und Rüden, doch macht er sich's daheim gemütlich und übt viel Gastfreundschaft.« Das fanden die Damen sehr ansprechend, ihnen fiel ein Stein vom Herzen. Fuchsjagden wie in Altengland! Ganz wie ein Squire! Also wahrhaft anständige Sitten, nicht wie sonst bei den elenden Foreigners.
»Und nun die Hausgespenster!« ermunterte Isabella. »Das hör' ich für mein Leben gern. Es ist so reizend, wenn man das Grauen hat.«
»Bei uns lernt man das Gruseln, so unheimliche Geschichten gehen um. In der Bibliothek spukt es bestimmt. Draußen raschelts auf schweren Eichenholztreppen, eisiger Hauch berührt uns, jemand tappt an der Wand, poltert dumpf am Schreibtisch, die Hunde im Hof schlagen nicht an, sie winseln. Mein Onkel, General Bismarck, sah mal eine verschwimmende weiße Gestalt. Man spricht von unterirdischen Gängen und Schatzgräberei der alten Tempelritter, die hier gehaust haben sollen mit ihrem Rotkreuz auf weißem Mantel.«
Isabella strahlte vor Vergnügen. »Scotts Ivanhoe! Sir Brian war immer mein Ideal und Ihnen, Otto, hätte die Templertracht auch prächtig gestanden.«
»Wirklich romantisch und vornehm!« anerkannte Miß Russel. Die Templer überwältigten sie als sichere Bürgen für der Bismarcks uralten Adel. Sie entzog sich nicht der Ehrerbietung für ein Haus, in dem es von Templern spukte, und machte fortan kein Hehl daraus, daß sie Freierwerbung des Templererben begünstige oder wenigstens mit erhabener Unparteilichkeit seine Verdienste würdige.
»Er ist ja bloß ein Deutscher,« belehrte sie ihre Nichte, »doch von untadeliger Noblesse. Keine Mesalliance! Von Staatskarriere, die ihm Cleveland zusprach, redet aber unser Freund nie.«
»Vielleicht Bescheidenheit«, tröstete der Onkel und Vormund bedächtig. »Anfangs hört' ich mit Entsetzen, daß er ein jüngerer Sohn sei. Doch wir erfuhren, daß die Ausländer es nicht so halten wie bei uns, wo nur der Ältere ein Majorat erbt. Er teilt die Güter mit dem älteren Bruder. Viel Wohlstand schautwohl nicht dabei heraus, doch wenn er hoch im Staatsdienst steigt –! Isabel hat einiges Vermögen, zu klein für England, doch genug für ärmliche Deutsche. Die Partie kann sich machen.« Miß Loraine sagte nichts dazu, erwog aber solche Weltlichkeiten genau im klugen Köpfchen, indes der deutsche Jüngling zwar nicht wie Schillers Ferdinand die stolze Britin verwarf, wohl aber jede schnöde Nebenberechnung. Ob sie Geld hatte, kümmerte ihn nicht.
Eines Abends, als sie am Kai von Luzern allein spazieren gingen, schilderte er die lauschigen Plätzchen im heimischen Park. »Unter der oberen Terrasse bilden Lindenzweige eine schattige Laube, bis zur Erde niederhängend. In solch grünem Tafelraum der Natur läßt Vater im Sommer den Tisch für Gäste aufschlagen, dort tafelt sich's so gemütlich. An die Terrassenmauer klammert sich eine liebliche Birke, sie wurzelt im Gestein unter wilden Rosensträuchern
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