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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Prise zum Beilegen zwingen, bis sie die Flagge strich, kein Ehepirat sollte sie ihm abjagen. Offenbar strich Cleveland ihn heraus, entwarf ein irrig übertriebenes Bild von »Expectations« auf einige gütige Worte Arnims hin. Tante Russel verschloß sich also nicht der Möglichkeit, der angenehme Deutsche sei am Ende eine gute Partie. Der junge Skeptiker begriff sehr gut. Doch warum nicht mit dem Feuer spielen!
    Und das Wiedersehen gestaltete sich feurig genug. Isabella hing die Purpurflagge zum Liebeskriege aus, errötete über und über. Eine zusammengefundene Reisegesellschaft von Briten, Franzosen, Belgiern freute sich, einen liebenswürdigen Jüngling, der ihre Sprachen beherrschte, kostenlos als Dolmetsch und Reisemarschall zu engagieren. Man reiste wahllos hin und her, Isabella ließ sich nach allen Regeln der Kunst von Otto den Hof machen, spielend entwickelte sich schon Vertraulichkeit, die notwendig Wirrnis bringt, wenn sie nicht zu natürlicher Lösung drängt. Auf solche steuerte Otto mit vollen Segeln los, dachte nicht an Schiffbruch. Leicht vorauszusehende, schwer zu überwindende Nachwehen großer Enttäuschung, die keiner Jugend erspart bleiben, ahnt man nie, bis die Stunde kommt. Bis dahin schwimmt das törichte Herz in der bekannten Seligkeit.
    Der blonde Engel verschmähte es mit dem ganzen Stolze Albions, ein Wort Deutsch zu lernen. »Wenn Sie nun in Deutschland leben müßten!« deutete er zaghaft an. – »O gräßlich!« – »Wenn Isabel einen Ausländer heiratete,« betonte Miß Russel scharf, »so müßte der natürlich Engländer werden. Warum nicht! Ein schönes Los!« Er schwieg betroffen, so stellte er sich das nicht vor. Isabella lächelte befangen über die Deutlichkeit des Winkes und glitt rasch darüber weg: »Kennen Sie Dresden? Dort gibt's eine Englische Kolonie.«
    »Flüchtig. Eh ich nach Aachen ging, wollt' ich einen Freund in Hannover besuchen, doch der Teufel ritt eine alte Tante von hoher Rasse, ich solle sie über Dresden nach Böhmen geleiten. Ihrer Ungnade zu trotzen, wäre vermessen gewesen.«
    »Ah, eine Erbtante!« Die Russel horchte interessiert auf. Und von »hoher Rasse«, he is highly – connected, the charming young Baron . Er ließ sie in solchem Glauben.
    »Ja, vor Tanten und Basen hatt' ich stets einen Heidenrespekt. ›Freunde findet man überall‹, belehrte mich die alte Dame, die es in ihrer leichtsinnigen Jugend wohl so hielt. Ichbin nicht so, ich vergesse schwer.« Sein Auge weilte treu und innig auf Schön-Isabel, die anmutig ablenkte:
    »Erzählen Sie von Ihrem Schloß an der Elbe! Haben Sie auch ein Hausgespenst wie bei uns jede vornehme Familie?«
    »In der Burg meiner Väter vereinen sich unbegrenzte Möglichkeiten zu solennem Spleen. Mein Schlafzimmer sieht auf den Kirchhof, eine tröstliche Aussicht. Die Mauern sind vier Fuß dick, Spitzbögen gibt es auch, da drinnen aber ist's fürchterlich, nur wenige Zimmer wohnlich möbliert, in hohlen Kaminen heult der Wind, die Damasttapeten hat das Alter entfärbt und zerfetzt, Ratten knabbern daran.« Good gracious! seufzte Miß Russel. Romantische Bettelei, arm wie Kirchenmäuse! Wie wird mir! »Die Kirche ist altersgrau, die geschnittenen Taxushecken im Park steif von Vornehmheit. Oft war ich in diesem Verfall die einzige lebende Seele, nur ein ausgetrocknet greises Weiblein fütterte mich, früher Spielgefährtin und jetzt Wärterin meines 65 jährigen Vaters.«
    »Sterben Sie nicht vor Langeweile?« Miß Loraine sah ganz erschrocken aus.
    »Nicht daß ich wüßte! Ich hörte die Nachtigallen schlagen und schoß nach der Scheibe, was minder musikalisch knallte, aber herzhaft und männlich klingt.« Gottlob, doch etwas englischer Sport! dachte die Russel. Welcher englische Squire hört auf Nachtigallen! »In der Bibliothek fand ich Schweinsledernes wie Voltaire und Spinozas Ethicum und das Theatrum Europäum, ein altes politisches Vademekum, aus dem ich viel lernte, und dazu heulte, wie ein Dichter singt, die Turmuhr Mitternacht.«
    »Spinoza der greuliche Atheist? Was lernten Sie denn daraus?« forschte Miß Russel mißbilligend.
    »Kaltblütiges Untersuchen der Ursachen, z. B. der Liebe«, entschlüpfte es ihm unvorsichtig.
    »Abscheulich!« hauchte Isabel. » How dare you! Wie darf solch eisgrauer Professor sich in Herzensdinge mischen!« Miß Russel fand es very shocking indeed Otto sprang mit gezwungener Lustigkeit auf Gespenstergeschichten über und tröstete unwillkürlich die Damen über die

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