Bismarck 01
und weht über den Felsrand wie ein grünes Banner. Ach, fände doch so in mir hartem Stein eine Liebliche ihre Herberge, ich würde sie tragen als Kleinod und Panier des Herzens!« Sie lächelte holdselig und sagte nichts. »Aus der Orangerie blickt man auf die Torfgasse, wo die Bäuerinnen in Landestracht zur Kirche ziehen in roten, faltigen Röcken und knappen, schwarzen Miedern. Auf dem Ausgang zum Feld an kleiner Holzbrücke über schilfreichem Graben steht ein Herkules, die Statue hält die Hand auf den Rücken. Dort hab' ich als Junge ihm eins auf den Pelz gebrannt mit meinem winzigen Jagdgewehr, damit man doch wisse, was die Stellung bedeutet: der Schuß schmerzt ihn jämmerlich, darum faßt er nach der Lende.«
» Naughty boy! « lächelte sie zärtlich. Ein bißchen zu derbnatürlich, fast unanständig – doch das mißfällt Frauen nicht immer.
»Ferner gibt's ein künstlich Inselchen, moosüberwachsen, mit düsterem Boskett und einsamem Pavillon. O Geliebte,« brach er los, »könnten wir uns dort verbergen vor aller Welt wie im verwunschenen Paradies!« – Die Verlobung wurde gefeiert. – –
O Straßburg, du wunderschöne Stadt! Die Misses schwärmten für das deutsche Münster und die schicken französischen Offiziere, die sporenklirrend über den Kleberplatz stolzierten. Otto war weniger davon erbaut und bewahrte auffallende Schweigsamkeit. Aus dem Gasthof schrieb er an Assessor Scharlach, Harzburg am Harz, er werde auf dessen Einladung zur Jahrhundertfeier der Georgia Augusta nach Göttingen kommen. Im Frühjahr müsse Herzbruder aber nach England wandern als Brautzeuge, um ihn in den heiligen Stand der Ehe springen zu sehen. Dabei kam ihm eine Erinnerung, und er trug Scharlach auf, der Frau v. Malortie in Hannover die Kunde mitzuteilen, falls er sie zufällig sehe. (Er schrieb » par hazard «, » en attendant « nach seiner leidigen deutschen Vorliebe für Fremdwörter.) Schreiben möge er seiner alten Flamme nicht.
Verabredetermaßen wollte man nochmals die Schweiz durchqueren. Er sollte seine Verlobte bis Mailand geleiten, dann sich endlich von Aachen abmelden und nach Potsdam abschieben. Seine Eltern wußten nichts vom Verlöbnis, über das er aus guten Gründen schwieg, doch befanden sie sich in Unruhe, entrüstet über sein »Auskneifen vom Amt«, wie Papa schrieb. »Das ist eine Desertion. Graf Arnim schrieb, Du wollest Dich durch Reisen bilden, dagegen ist nichts einzuwenden, doch das dauert nun schon vier Monate. Und nachher wirst Du eine Schuldenrechnung präsentieren, obschon ich Deinen Wechsel verdoppelte. Komm uns nicht vors Gesicht mit so was, sonst werden wir ernstlich böse werden.« Doch Otto nahm es nicht ernst und amüsierte seine Britinnen mit Schilderung der trefflichen Eltern. »Er ist ein schöner stattlicher Herr, seiner Dame ritterlich ergeben, meiner Frau Mutter. Will man ihn grimmig machen, muß man Papa und Mama sagen. Das verbittet er sich als Kauderwelsch französischer Papageien, er sei kein Papchen. Mutter ist eine schöne Frau, sehr klug und gebildet, aber kalt zum Frieren. Unterhaltung mit Gelehrten oder sonstwie geistreichen Leuten ist ihre einzige Leidenschaft, außerdem spielt sie Schach wie ein Meister.«
»Und Sie recht mittelmäßig«, meinte die Russel verdrießlich, die auch diesem Sport frönte.
»Was kann ich dafür! Ich gehöre nicht zu den großen Geistern, die Schach dem König bieten und Matt ansagen. Nur Schach der Königin ist mein Fall ... in dem bestimmten Falle.« Er küßte Isabella herzhaft.
» Gardez la reine! « lispelte Miß Russel mit eigentümlicher Betonung. Otto zeigte ein Medaillonbild der Mutter. »Der Mund so lieblich, das Haar so schön,« urteilte Isabella, »doch sie blickt so ... gebieterisch.«
»So ist's«, stimmte Miß Russel bei. »Die Stirn so klar und hoch, die Augen so klar und klug, doch das ganze Gesicht hat etwas Strenges. Nicht wahr, sie herrscht gern, wo sie kann?«
»Und sie kann immer«, lachte Bismarck. »Ich erbte nichts davon. Mir ist nur wohl, wenn ich keine Vorgesetzten habe und nicht gehorchen muß, das Kommandieren überlass ich anderen.«
»Schlechtes Temperament für den Staatsdienst! Wer weder gehorchen noch herrschen will, was wird aus dem?«
»Weiß ich selber nicht, Miß Russel.« Diese wurde sehr nachdenklich, auch Isa hing das Köpfchen. Beim Schlafengehen ermahnte die Tante: »Man muß vorsichtig sein. Cleveland hat übertrieben. Ich fürchte, aus Otto wird nichts als ein Landedelmann wie
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