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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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deutsch reden hörte; der Referendar hörte hinter sichdie vernehmlichen Worte: »Ah, das ist nur ein Deutscher!« Seine rosige Gesichtsfarbe ging in ein glühendes Schamrot über, und er wollte sich just umdrehen zu heftiger Aussprache, als ihm einfiel, daß Berliner oder Dresdner oder Münchner ja auch nicht anders dächten. »Der ist nicht weit her!« Ein Landsmann gilt nichts, und wenn er gar mit einem auf der Schulbank saß oder mit ihm Hasen jagte, dann wehe ihm, wenn er was Besonderes sein will! Und siehe da, ein waschechter eleganter Mylord, dem ein Brite den Jüngling vorstellte, ließ sich huldvoll zu ihm herab und fand Gefallen an diesem unverkennbaren Sportsmann, der so gut zu Pferde saß. Einer Einladung zum Lunch folgend, erwies der Märker sich bewandert in allen Feinheiten der Tafelbräuche, aß nicht nur nie mit dem Messer, was damals in allen deutschen Gauen landesüblich, sondern sogar den Fisch mit einem Brotstück in der Linken. Auch kannte er alle Wendungen wie »Pass the butter please!« »May I trouble you for the water?« »May I carve for you?« »Well done or underdone?« Let me drink a glass off wine with you!« Kurz, er war ganz Gentleman, und da beim Briten der Mensch mit dem Englischreden anfängt, erkundigte man sich teilnehmend, ob vielleicht seine Frau Mutter englischen Blutes sei. Obschon er sich so vornehmer Herkunft nicht rühmen konnte, versicherten Seine Gnaden der Herzog von Cleveland gnädig: »Sie, Sir , sind ganz Engländer.«
    Dies höchste Lob, das einem Sterblichen zuteil werden kann, lehnte leider der Referendar kühl ab, errötend offenbar aus schamhafter Bescheidenheit. »Euer Gnaden sind zu gütig. Ich bin jedoch ganz ein Deutscher.« Das klang wahrhaftig so, als ziehe er dies vor, und staunendes Schweigen folgte so sonderbarem Bekenntnis. Doch da man sich gewiß irrte, da doch kein vernünftiger Mensch sich der seltenen Auszeichnung entziehen wird, einem Briten verglichen zu werden, fiel der Herzog höflich ein: »Die Deutschen sind sehr gute Musiker und der Rhein ist sehr schön.«
    »Sehr schmeichelhaft!« Otto verneigte sich kühl. »Wir können noch einiges andere als musizieren.«
    »Ach ja«, bemerkte ein Tischgast ironisch. »Mr. Bulwer widmet seinen neuesten Roman dem deutschen Volk der Denker und Dichter – weil die Londoner Kritiker ihn herunterreißen. Denke mir, es werden bei euch wohl auch nicht alles Denker und Dichter sein.«
    »Gottlob nein!« rief der Märker ärgerlich. »Wir haben auch Soldaten und Staatsmänner.«
    »Staatsmänner, verstehe ich recht?« Ein anderer Brite hob spöttisch die Hand zur Ohrmuschel. »Wo sind denn aber die Staaten und wo die Männer? Jedes kleine Fürstentümchen redet ja mit in Ihrem Deutschen Bund.«
    »Keine Politik bei Tische!« brach der Herzog höflich ab und suchte auf ein anderes Thema überzuspringen. »Herrn Bulwer lese ich nicht, ist mir zu exzentrisch, zu ... Verzeihung, Mistervon Bismärk ... zu deutsch. Der Herzog von Wellington sagt von ihm: der Autor kennt die gute Gesellschaft ... von der Hintertreppe her.«
    »Zweifle, daß unser großer Feldherr was von Literatur versteht«, warf jemand pikiert ein. »Übrigens gehört Bulwer-Lytton v. Knebworth Park zu den allerältesten, vornehmsten Familien.«
    »Das gebe ich zu,« räumte der Herzog ein, »doch seine politische Gesinnung ist um so peinlicher. Diese Whigs des Adels werden uns noch ins Verderben stürzen, ich als Hochtory verabscheue solch Liebäugeln mit dem liberalen Firlefanz des Kontinents. Hat Mr. Bulwer nicht ein Pamphlet losgelassen ›England und die Engländer‹, worin er Altengland unwürdig herabsetzt?«
    »Wenigstens preist er preußische Institutionen als viel liberaler und macht sich über unser Snobtum lustig.«
    »Ein Skandal, schon nicht mehr anständig, fast Hochverrat! Ein Brite, der das Ausland als Vorbild empfiehlt, by Jove , das ist kein Brite mehr.«
    »Das Komische dabei ist aber,« warf der Deutsche bitter hin, »daß unsere eigenen Liberalen die britische Konstitution in allen Tonarten anbeten als unübertreffliches Meisterstück.«
    »War sie auch!« bekräftigte der Herzog eifrig. »Doch seit der infamen Reformbill von 1831 geht alles drunter und drüber. Demagogie und kein Ende! Man tritt die heiligen Vorrechte der Peers mit Füßen, man beschneidet noch mehr die Befugnis der Krone. Doch lassen wir dies Gespräch vor einem Ausländer! Trotz alledem bleiben wir für immerdar die erste Nation und regieren die Welt. Das

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