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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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und die künstliche Verkoppelung beider nur einer gewaltsamen theologischen Auslegung dient, die das Phänomen des Gottmenschen geradezu lästerlich mit kleinlich menschlichen Prophetien vermenschlicht, förmlich einen Stammbaum des Messias ausklügelt, wie bei einem Fürstenhause. Auch verkannte er nicht, daß vieles in den eigentlichen Evangelien dem sogenannten Bibelchristentum der bestehenden Christenkirchen ins Gesicht schlägt und orthodoxe Dogmen rein aus hierarchischem Bedürfnis herausgelesen wurden, denen ganz klare Worte Christi aufs schneidendste widersprachen. Sein Sinn für historisch Gegebenes ließ ihn aber auch die Notwendigkeit dieser Sinnfälschungen begreifen, um das sonst im Äther schwebende Himmelreich des urchristlichen freien Denkens dem geistigen Pöbel mundgerecht zu machen. Jedenfalls versenkte er sich mit Ungestüm in diese Welt des reinsten Idealismus, der nur das Reich Gottes »in uns inwendig« und die ewige Liebe des Urgrundes ( pater ) in den Himmeln ( uranoi im Plural, d. h. das All) gelten läßt. Bald hatte er auch die ganze Masse der Paulinischen Briefe in sich verarbeitet und als Motto für alles gefunden: »und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts«. –
    *

Sein Aufenthalt in Kniephof ging nun zu Ende, er mußte nach Schönhausen zurück, um seinen Pflichten als Deichwart zu genügen. So empfahl er sich persönlich den Puttkamers in einem Abschiedsbesuch, wobei er der gnädigen Frau und der Wirtschafterin Fräulein Adelheid Harder besondere Komplimente überihre Kunstfertigkeit in Wurstbereitung machte. »Auch lernte ich hier Milch mit Salz trinken, eine höchst bekömmliche Neufindung!« begeisterte er sich. »Nie werde ich diese herrliche Zeit vergessen!« Ob er dabei auch an die Milch der Menschenliebe dachte, zu der er selber etwas attisches Salz beisteuerte?
    Der alte Puttkamer schüttelte ihm kräftig die Hand: »Auf baldiges Wiedersehen! Es war mir eine Freude, mein junger Freund, daß Moritzens warme Freundschaft den schönen Kern in Ihnen erkannte ... in vormals etwas rauher Schale,« setzte er schelmisch hinzu, »verzeihen Sie die Offenheit, doch Sie haben sich so glatt poliert, daß Ihr Schutzengel sicher seine Freude daran hatte.«
    »In der Gesellschaft edler Frauen«, verbeugte Otto sich mit ritterlicher Grandezza. »Das sind fürwahr die besten Schutzengel. Es fällt mir schwer, zu scheiden, doch fatta sia la tua volunta !«
    »Was heißt das wieder?« Johanna lächelte anmutig. »Wir armen Deutschen verstehen nicht all Ihre Fremdsprachen. Italienisch, nicht?«
    »Das Vaterunser. Dein Wille geschehe!« erläuterte er ernst. Alle schwiegen. »Ich muß meinen Diensteid pünktlich auf die Minute halten. Das Schwerste war freilich schon im März vorbei, doch es kann noch Hochwasser nachkommen. Haben die Herrschaften noch nie den Eisgang eines großen Stromes gesehen? Ein gewaltiges Schauspiel!«
    »Wie ist es denn?« interessierte sich Johanna.
    »Wie eine Schlacht. Die weißblauschillernden Eisfelder liefern sich Kämpfe auf Leben und Tod. Man glaubt lebendige Riesen zu sehen, die sich in die Haare geraten. Sie lösen sich in Zwietracht voneinander, sie berennen sich mit Sturmböcken, bis sie sich gegenseitig in Trümmer zersplittern. Dann türmen sie sich wie Leichenhaufen über dem Aufruhr der Fluten.«
    »Wie poetisch Sie das sagen!« seufzte die gute Frau v. Puttkamer. »An ihnen ist ein Schriftsteller verloren. Ein solches Pfund, das uns der Herrgott gab, mit dem sollte man doch wuchern, sagt die heilige Schrift.« Ihr kluges, großes Auge weilte auf ihm.
    »Zu gütig, meine gnädigste Frau! Jeder hat sein bißchen Poesie für den Hausbedarf. Aber ich muß sehr praktisch sein, sonst würden meine Bauern aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen: 'n bisken doll war der gnä' Herr ja immer schonst, aber nu redt er ooch noch in Rimkes!« Alle lachten. »Vielleicht habe ich mal das Glück, Sie in unserer Gegend zu sehen?«
    »Uns Alten wohl nicht.« Herr v. Puttkamer klopfte bedächtig die Asche seiner Pfeife ab. »Aber Nanne passiert wenigstens Ihre Ufer im Sommer. Eine Gesellschaft von uns macht im Sommer eine Harzreise, und da geht ja die nächste Bahnroute über Magdeburg.«
    »Aber das trifft sich ja herrlich! Auch ich hatte schon lange die Absicht, mal den 'Brocken zu ersteigen. Meine Freunde Gerlachs in Magdeburg möchten auch hin, ebenso mein Gutsnachbar Graf Wartensleben. Dürften wir uns da anschließen?«
    »Das wäre famos. Männliche Bedeckung

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