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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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kann Damen niemals schaden. Nannes Freundinnen gehen nämlich auch mit«, rief der Alte erfreut. »Und Marie Blanckenburg wird sie chaperonnieren, wenn auch Moritz zu Hause bleibt. Da können wir ja, wenn's Zeit ist, Ort und Stunde fixieren für den Sammelplatz zur Völkerwanderung.«
    »Werde nicht verfehlen. Meine gnädige Frau – mein gnädiges Fräulein – die Pferde sind gesattelt, wie der Statist im Theater so schön sagt. Behalten Sie mich in gutem Angedenken! Ich werde als Ihr Ritter und untertäniger Knecht mein Fähnlein schwingen, vom Elbwind zerfetzt. Die Hoffnung auf so fröhlichen Sommer wird mich warmhalten.« – –
    Die Harzreise verlief programmäßig, eine Art Picknick von pommerschen und altmärkischen Herren und Damen. Das Brockenhaus versteckte sich wie gewöhnlich so im Nebel, daß man es erst sah, als man mit der Nase darauf stieß. In Harzburg fand man die übliche Hitze, im Bodetal und auf der Roßtrappe die gewöhnliche angenehme Kühle. Auch traf man die üblichen flegelhaften Engländer, die damals häufig das romantische deutsche Barbaren- und Bärenland ihrer insularen Kultureinbildung mit ihrer erhabenen Anwesenheit beglückten. Seit Bulwers »Pilgrim des Rheins« wurde es noch mehr wie früher »the rage« , auf der »großen Tour« der vornehmen englischen Jugend die deutschen Bäder Homburg, Ems, Schlangenbad, Aachen zu besuchen und von da die Schritte nach München und in fernere böhmische Dörfer und Urwälder Germaniens zu richten. Die Brockenhexen hatten es manchem Byroniker angetan. Die berühmten Fragen: »Sie sei'n Deutsches? Welche Buch haben Sie geschrieben?« fand der echte Brite zu seinem schmerzlichen Bedauern nicht mehr »the right thing« . Diese Foreigners hatten, man denke, Industrie und Eisenbahnen, aßen auch andere Speisen als Wurst und Sauerkraut, rauchten Zigarren und nicht übelriechenden Knaster aus Pfeifen, wie doch in englischen Illustrationen herkömmlich. Das erfüllte englische Touristen mit berechtigtem Unmut, sie kamen nicht auf ihre Kosten.
    »Wo sein die Hexen? All humbug! Wir sind gekommen zu sehen Hexen und Gretchens«, gröhlte ein edler Jüngling in einer Talkneipe vor Harzburg und knüpfte daran in heimatlichem Idiom so kritische Bemerkungen über die dreist angegafften deutschen Damen der Bismarckschen Gesellschaft, daß Otto ihn auf Englisch zur Ruhe verwies und ihm anriet, das Maul zu halten. Zwei andere Zierden britischer Jugend wollten darob aufbegehren und machten Boxbewegungen.
    » Hold your tongue! « brüllte er sie an. Auch den anderendeutschen Herren kochte schon früher das Blut, als sie dies freche Betragen bemerkten, wobei die manierlichen Londoner mit dem ganzen Stolze Albions die Schenkwirtin mit Eierschalen und Löffeln bewarfen. Sie zogen es jedoch vor, ihren Touristenrucksack umzuwerfen und das Weite zu suchen, als sie Ottos finsterem Blick begegneten, der halblaut zwischen den Zähnen knirschte: »Come on!« Sie verbreiteten nachher, daß »a boar of a German, Baron« von ihnen verprügelt worden sei.
    »Daß wir Deutsche von diesen Bulldoggen auch alles hinnehmen!« murmelte ein pommerscher Herr. »An unsern kleinen Höfen gilt jeder hergelaufene englische Schneider als adelig und hoffähig. Ein Franzose ist vollends ein höheres Wesen.«
    »Natürlich, seit dem alten Versailler und dem Bonaparteschen Prestige änderte sich nichts«, bemerkte Graf Wartensleben. »Übrigens, wir preisen Waterloo, mir gibt's immer 'nen Stich ins Herz, daß dort Hannoveraner, Hessen, Braunschweiger unter englischem Kommando fochten, ganz wie zur Zeit Marlboroughs. Außerdem,« er dämpfte die Stimme, »ist's ein Skandal, daß der Sohn des Braunschweiger Helden, der dort fiel, heut hier so wirtschaftet.« Er meinte den jungen Diamantenherzog, der seine langmütigen Untertanen geradeso zur Verzweiflung brachte wie der elende Tyrann von Hessen. Otto schwieg mit gerunzelter Stirn. Im Waterloojahr war er geboren, doch weltgeschichtliche Fragen lagen seiner jetzigen Resignation so fern. Ihn kümmerte höchstens das Heil seiner eigenen armen Seele, von religiösem Odem angehaucht.
    Sie streiften durchs Selketal und kamen auch in die Herrschaftsgegend der mediatisierten, gefürsteten Reichsgrafen Stolberg. »Dort drüben liegt Wernigerode!« Kusine Cäcilia v. Below hauchte: »Es muß doch schrecklich für all die alten souveränen Herren sein, wie die Stolbergs, Isenburgs, Arembergs, daß sie heut bloß Untertanen sind.« »Ade, du alte

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