Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
sogar Staatsmännern den Kopf«, schmachtete die Blondine. »Ich für mein Teil bete den großen Schauspieler Devrient an. Wie göttlich ist er als Marquis Posa!«
    »Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!« parodierte Graf Wartensleben. »Eine verfängliche Aufforderung auf einem königlichen Theater! Nu, Gedanken sind zollfrei, unser lieber, guter Zollverein hat sich noch nicht mit dieser Ware beschäftigt.«
    »Bücher sind's aber nicht«, betonte ein Pommer. »Der hohe Bundestag paßt strenge auf. Das sogenannte Junge Deutschland, diese Bande frecher Federfuchser, weiß davon ein Lied zu singen.«
    Das Gespräch kam natürlich oft auf Heines »Harzreise«, wofür die gebildeten Altmärker Junker und Damen schwärmten. »Ich bin die Prinzessin Ilse und wohne am Ilsenstein«, sang einer melodisch. Die Damen beklagten den armen Heinrich, daß er verbannt in Paris lebe, die Herren meinten jedoch mit frivolem Augenzwinkern, daß man solch ein Asyl sich gefallen lassen könne.
    »Ach, sein ›Buch der Lieder‹ ist göttlich!« schmachtete eine Freundin Johannas. »Wie muß der geliebt haben!«
    »Mit dem Munde!« belehrte sie ein Aufgeklärter. »Ich habe mir sagen lassen, seine ›Neuen Gedichte‹ und sonstigen Pariser Sachen seien – Pardon! – verflucht unanständig.«
    »Dem Manne ist ganz recht geschehen.« Johanna hielt für nötig, ihren Gott zu bekennen. »Er ist ein Lästerer und Rebell, ein Jude, der alles Heilige verhöhnt. Unser Herr Pastor hat uns Unglaubliches darüber erzählt.« Die Gebildeten wollten sich mokieren, doch Bismarck fiel hastig ein:
    »Bravo, gnädiges Fräulein! Er wäscht die schmutzige Wäsche des Vaterlandes zum Gaudium des Auslands. Das ist die Sünde, die nimmer vergeben wird, wider den heiligen Geist. Nun hockt er ja bei seinen geliebten Parisern, wohl bekomm's, ein guter Deutscher wird ihn anspeien.«
    Andere waren anderer Meinung, denn es gehörte zum guten Ton, in Kunstdingen sich liberal zu gebärden. Einer zitierte »Ich hatte einst ein schönes Vaterland«, »Das küßte mich auf deutsch und sprach auf deutsch, man glaubt es kaum, wie süß es klang, das Wort: Ich liebe dich. Es war ein Traum.«
    Otto horchte auf, ein unhörbarer Seufzer hob seine breite Brust. Gewiß mußte es schön klingen: Ich liebe dich. Doch es war eben ein Traum, und der nämliche Heine sang: Wenn du sprichst: Ich liebe dich, so muß ich weinen bitterlich. Und siehe da, diese Harzreise endete nicht so idyllisch wie die Heines. Wie eine Bombe platzte eine Ehetragödie hinein, die man nicht ahnen konnte. Obschon nicht handelnd beteiligt, erwarb er Kenntnis der geheimnisvollen Ereignisse. Was ihn daran erschütterte, war die Einsicht, daß auch er eine handelnde Person dabei hätte sein können. Wie flach und unwürdig seine bisherige laxe Weltanschauung, drängte sich ihm auf. Welchen Wert hatte dies Tändeln der guten Gesellschaft, das nur künstlich einen Sumpf verdeckte! Mit inniger Rührung sah er bittere Tränen der reinen, keuschen Johanna fließen, die so auch einen unheimlichen Begriff von den Abgründen bekam, deren Drachen im Menschenherzen lebendig werden.
    Bei Rückkehr nach Magdeburg soupierte man im Garten an der Eisenbahn. Die Pommern mußten ihren Waggon aufsuchen. Otto behielt Johannas Hand länger als schicklich in der seinen und murmelte: »Auf Wiedersehen!« Ihr gingen die Augen über. Er war ja kein gläubiger Christ, aber im Grunde doch wohl ein guter Mensch und entschieden ihr Freund. Es mußte doch etwas an ihr sein, wenn ein solcher Mann –! Ja wieso? War er denn bedeutender als andere? Darauf wußte sie keine Antwort und versteckte sich scheu vor ihren Gedanken.
    *

Ihre Überraschung wuchs, als er sie am nächsten Tage im Berliner Hotel aufsuchte, wo sie und Marie noch einen Tag sich aufhalten wollten, ehe man in die ländliche Stille zurückkehrte. »Ich fand eine Depesche vor, die mich in Hypothekensachen hierher berief, und nahm den nächsten Nachtzug. Da wollt' ich den Damen doch meine Aufwartung machen und Sie zu einem Spaziergang im Tiergarten abholen. Dort kenn' ich alle Schlupfwinkel seit der Kinderzeit, alle Ruhebänke am stillen Wasser, alle Promenadenwege.« Das Wetter war weich und warm, die Luft wie ein laues Bad. Blumenbeete schimmerten rotweißblau. »Die Trikolore!« lachte Marie. »Das ist nicht Ihre Lieblingsfarbe.«
    »Noch weniger Schwarzrotgold. Am liebsten ist mir hier der Lenz, wenn der Holunder schon lange Blätter hat wie Viergroschenstücke und andere

Weitere Kostenlose Bücher