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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Überwachung der Pilgerfahrten.«
    »Solche Eingriffe wecken stets den Fanatismus der Mohammedaner, der Orient kommt leicht in Aufruhr. Gleichwohl wird Preußen gern bereit sein, jede zivilisatorische Bestrebung Eurer Majestät nach dieser Richtung zu fördern, soweit wir überhaupt in der Levante mitzureden haben. Internationaler Ehrgeiz liegt uns ja völlig fern, das überlassen wir Frankreich und England. Ihr Gedankenflug, Sire, umfaßt ein weites Gebiet, wir beharren in unserer bescheidenen begrenzten Sphäre.«
    »Sehr wohl, mein teurer Herr Minister. Seien Sie versichert, daß ich der Wahrhaftigkeit und Einsicht Ihrer Überzeugungen volle Gerechtigkeit widerfahren lasse.«
    Zu Drouyn äußerte er nachher mißmutig: »Ein wahrhaft guter Mensch voll großer, allzu großer Aufrichtigkeit. Und doch fragt man sich manchmal, ob das ein einseitiger, etwas beschränkter Kopf oder ein durchtriebener Fuchs ist. Auf den Moldauaustausch für Venetien will er nicht anbeißen.«
    Und Otto dachte: Ein gottvoller Einfall! Uns mit Rußland für Österreich verfeinden, um Frankreichs Prestige zu heben und uns der Bundesgenossenschaft Italiens verlustig zu machen! Nee, Söhneken, Venetien brauchen wir selbst als Lockspeise für Italien. –
    In Biaritz empfingen ihn Orlows mit Freudengeschrei, alle schwelgten im Gedächtnis der schönen Tage vor zwei Jahren. Wieviel geschah seitdem auf der historischen Bühne, zu der ihn damals sein Stichwort berief. Baden und Träumen am brausenden Meere. Doch die kalte Knochenhand der Politik ließ ihn nicht los. In Berlin machten sie wieder Dummheiten, und das Schellenklingeln der Wagen auf der Bajonner Straße klang ihm wie Narrenschellen. Doch das stillblaue, von Sonne oder Mond beglänzte Meer verschlang mit ewigem Rauschen das Schellengeläut. Des Leuchtturmes rote oder weiße Flackerlichter verhießen sichere Fahrt ...
    Er bewohnte den untersten Stock eines rotfarbigen Gebäudes, Maison Rouge, am Strande der Biscayabucht, am Fuße des Hügels, auf dem sich die Villa des Kaisers erhob, der jährlich in Biaritz einkehrte. (Man zeigte später den Fremden dies Erdgeschoß für ein Trinkgeld als »historischen Ort«.) Eines Tages gab ein dänischer Journalist J. Hansen bei ihm seine Visitenkarte ab und erbat eine Unterredung. »Das ist der geschickte Wühler,« warf Otto die Karte hin, zu Orlow gewendet, »den die dänische Regierung als Leib- und Magenorgan zur Bearbeitung der französischen Presse benutzte. Ein gewiegter Urkundenfälscher! Ich lasse bitten.«
    Als Hansen eintrat, lehnte der gefürchtete Preuße an einem langen Arbeitstisch, voll von Büchern und Landkarten. »Guten Tag. Exzellenz Orlow, russischer Gesandter in Brüssel. Womit kann ich dienen?«
    »Ich überreiche ein Empfehlungsschreiben an Eure Exzellenz von Herrn Vicomte de Gueronnière.«
    Otto lehnte unwirsch ab. »Ich gestehe diesem Herrn nicht das Recht zu, irgend jemand an mich zu empfehlen. In der Zeitung, ›France‹ hat er schreckliche Lügen über mich verbreitet, besonders in Polensachen. Eine echtfranzösische Unverschämtheit, Sie an mich zu empfehlen. Es geht doch nichts über die schlechten Sitten dieser höflichen Nation. Adieu, Bester.« Orlow empfahl sich still. »Ich empfange Sie bloß, weil Sie Däne sind.« Er warf einen flüchtigen Blick auf das Empfehlungsschreiben. »Er nennt Sie Hausen. So echtfranzösisch, diese Gründlichkeit und Genauigkeit! Ich kenne Sie aber als Hansen. Ihr Name ist mir innig vertraut. Sie sind sehr hart gegen uns arme Preußen gewesen, nämlich in der französischen Presse.«
    »Das ist wirklich sehr wahr.« Hansen lächelte übelwollend. »Ich tat, was ich konnte, um Ihre Stellung in Frankreich so unbehaglich wie möglich zu machen.«
    Otto spielte mit einem langen katalonischen Messer, wie es die Badegäste hier stets von spanischen Hausierern kaufen. »Das macht Ihnen nur Ehre. Right or wrong, my country. Nach dänischer Zuneigung trage ich kein Verlangen. Hassen Sie mich von Herzen, das ist mir das liebste, denn von mir haben Sie keine Schonung zu erwarten. Was ist der Grund Ihres werten Besuches?«
    Hansen suchte ihn auszupumpen, weil er viel von der explosiven Offenheit des bösen Preußen hörte. Doch er kam nicht auf seine Kosten. Hätte er die Nibelungensage, diese deutsche, vergrößerte und verbesserte Ausgabe der Edda gekannt, wäre ihm vielleicht die Szene eingefallen, wo der grimme Hagen kaltblütig der Krimhild trotzt. »Ich will es gar nicht leugnen, reiche

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