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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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lächerlichen 36er Ausschusses. Dieser hatte schon früher die kühne Behauptung aufgestellt, daß nur die Allmacht der öffentlichen Meinung Preußen vorwärts trieb. Er selbst trieb es aber so arg, daß der Bundestag sich ihm entgegenwarf und sich hiermit selber jede Popularität in Deutschland verscherzte. Als im Dezember die Exekutionstruppen auf Bismarcks höfliche, aber bestimmte Weisung abmarschierten, suchte Beust für Sachsen eine Miene geräuschvoller Opposition zu retten. Doch machte dies gar keinen Eindruck, weil das englische Blaubuch mit zynischer Preisgabe von Staatsgeheimnissen offen enthüllte, wie zweideutig sich besonders Hannover benahm, das in der volkstümlichen Holsteinerei revolutionäre Bestrebungen haßte. Kaum bezog aber das neue k. k. Ministerium seine Wohnung am Ballplatz, als wieder die alte schnoddrige Zänkerei und Unheilstiftung der Ära Buol einsetzte. Die Erbansprüche Augustenburgs tauchten wieder auf, in Frankfurt meldete sich das wunderbare »Austrägalgericht«, welches Neuwort, im Kanzleijargon der Bundesverfassung geprägt, die ganze Verzopftheit in sich trug.
    So hätte das neue Jahr unter ungünstigen Aussichten für Verwirklichung der Annexionspläne begonnen, wenn nicht Österreich plötzlich durch innere Verfassungskämpfe wegen seiner finanziellen Notlage lahmgelegt worden wäre. Unverzüglich setzte Otto dem untreuen Rivalen die Pistole auf die Brust mit sehr bestimmten Forderungen, kraft welchen die Herzogtümer als neues Staatswesen von vornherein in ein Vasallenverhältnis zu Preußen treten mußten, das Ende März seine Marinestation ohne weiteres von Danzig nach Kiel verlegte und von halben Zugeständnissen nichts wissen wollte. Der preußische und österreichische Zivilkommissar in Schleswig-Holstein lagen sich gegenseitig in den Haaren, der neue preußische Gesandte in Frankfurt, »Carlos« Savigny, führte eine drohende Sprache und verlangte zuletzt sogar Ausweisung des Augustenburgers. Noch aber wünschte der König keinen unheilbaren Bruch und ging, um die Risse des Bündnisgebäudes zu stopfen, Ende Juni mit Otto nach Karlsbad.
    Dort befand sich auch der französische Botschafter in Wien, Herzog v. Grammont, zur Kur, natürlich zufällig, wie das bei Diplomaten immer so geht. Er schloß sich an den gefürchteten Preußen innig an und ließ sich mit ihm photographieren. Ironisch schrieb Otto an Nanne, daß sie endlich daraus ersehen werde, sie habe einen ungewöhnlich gut aussehenden Mann.
    »Aber du glaubst es doch nicht, und ich schließe gereizt.« Er wohnte hoch über dem Städtchen und hörte jeden Abend Kühe brummen und the watchdogs honest bark , wie er mittendurch Byron zitierte, von dem er immer noch lange Stellen auswendig wußte. Edwin Manteuffel, Gustav Alvensleben, Leibarzt Bauer hatten den König begleitet, Kultusminister Mühler nebst unvermeidlicher Adelheid fand sich auch ein, Frau v. Mühler kneipte Aussicht, wenn sie nicht mit Prinzeß zur Lippe Kaffeeklatsch pflegte. Die schreckliche Politikerin Frau v. Stolypin vertrat den russischen Hofklatsch. Lauter Personen, vor denen er ins Abendrot flüchtete, manchmal vier Stunden in den Bergen herumkletternd. Nur der Tyrannin Adelheid, die nie genug damit hatte, ihrem jetzt so frommen Mann Pantoffelhiebe zu versetzen und ihm sein ruchloses einstiges Studentenleben heimzuzahlen, vermochte er nicht zu entrinnen. Ihre Eitelkeit und Vergnügungssucht ließen ihn nicht los und schleppten ihn in die Kaffeekränzchen der Fürstin Lippe, wo er mit jungen Mädchen schäkerte, um der ästhetischen Unterhaltung mit Frau Kultusminister zu entrinnen. Er hatte nicht übel Lust, bei aufgehendem Dianagestirn laut anzustimmen »Mond, wie siehst du so wunderlich aus! Schäme dich, schäme dich, alter Kujon!«, um mit der unsterblichen dichterischen Jugendsünde ihres frommen Gemahls die regierende Kultusdame zu ärgern. Seine Legationsräte Keudell, Abeken, Zitelmann hatten ihre liebe Not, ihm Besuche vom Halse zu halten und die Arbeit zu bewältigen, die er bei glühender Hitze sich und ihnen aufbürdete. Denn noch galt es, aus Rücksicht auf Bedenklichkeiten des Königs, einen casus belli zu vermeiden und Österreich zu annehmbarem Übereinkommen zu bewegen. Ein solches sollte in Gastein geschlossen werden.
    Ehe er nach Karlsbad fuhr, genoß er noch den schönen Anblick der Fortschrittsseele in ihrer ganzen Pracht. Seine große Rede im Landtag am 1. Juni behandelte vor allem die einst deutschen Herzen so teure

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