Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
Vom Netzwerk:
Gesundheit verschwenden mußte.
    »Das Majoritätsgeheul klingt überhaupt schon hohl und blechern«, äußerte er zu Roon. »Die Masse der Wähler steht schon lange nicht mehr hinter den Schreiern. Als im vorigen Oktober der allgemeine Abgeordnetentag nach Frankfurt ausgeschrieben wurde, wieviel preußische kamen da? Sage und schreibe: acht. Und ich muß es Twesten zur Ehre rechnen, daß er rund heraus erklärte: der 36er Ausschuß existiere nicht mehr für ihn und seine Gesinnungsgenossen, seit man Deutschland gegen Preußen aufhetze, die einzige Macht, die für Deutschland etwas tun könne. Ich weiß bestimmt, daß die um Twesten und Waldeck jede Alternative einer Niederlage Preußens vorziehen.«
    »Das hätt' ich nie erwartet. Diese Querköpfe wollen auch noch Patrioten sein?«
    »Das sind sie auch«, sagte Otto sehr ernst. »Und wir werden uns eines Tages vertragen. Nicht mit den eiteln Lärmmachern, die sich auf ihrem Katheder in der Aula glauben und denen ihr eigenes Prestige allem vorgeht. Aber mit den Vernünftigen darunter, sobald sie einsehen, daß wir im Grunde bezüglich der deutschen Frage an einem Strange ziehen.«
    »An einem Strange? Wie, was? Ich will nicht hoffen.«
    »Doch! Sie wissen, lieber Freund, wie gräßlich mir diese Virchows und Konsorten sind. Aber der Mehrzahl der Fortschrittler versage ich trotzdem nicht meine Anerkennung für die Beharrlichkeit, mit der sie nach ihrer Meinung das Rechte tun. Bei vielen von ihnen, wie diesem wackern Twesten, der doch am wenigsten Grund hat, unserer Regierung wohlzuwollen und sich dennoch als guter Preuße fühlt, wenn das Vaterland in Gefahr, handelt es sich am Ende doch um einen Gewissenskonflikt. In ihrem Herzen sind sie froh und stolz über das Ergebnis, den Gasteiner Vertrag bedauern sie eher als zu entgegenkommend für Österreich, weil sie den politischen Hintergrund nicht kennen, doch sie verlassen eben den Posten nicht, daß sie unter allen Umständen festhalten wollen an Verfechtung des sogenannten Verfassungsrechts.«
    »Das ist eben die Rebellion, die wir niederschlagen müssen.«
    »Sachte, sachte! Kinder unserer gemeinsamen Mutter möchte ich doch nicht so ohne weiteres niederschlagen, ich gebe ihnen nur väterlich die Rute, wenn's nötig. Da sind viele gute Kräfte, die wir später brauchen können. Sie haben mit Gneist einen Zusammenstoß gehabt und waren ganz im Recht. Doch Gneist ist ein höchst ehrenwerter Charakter und als Jurist bedeutend. Sybel wird eines Tages sich zu uns bekehren, das weiß ich. Natürlich ist mir der alte Ranke lieber, der als echter Historiker die Dinge aus einer gewissen Ferne auf sich wirken und die Zeitpolitik ungeschoren läßt. (Seine Werke liest man mit Genuß, ich empfehle sie Ihnen.) Da ist ferner ein Hitzkopf, der Holsteiner Mommsen, von dem mir Thiers in Paris erzählte, und der hier außerhalb der Kammer den schönsten demokratischen Randal macht. Wissen Sie, was ich von dem befürchte? Daß er den Bogen überspannen und nachher den Ultrapreußen hervorkehren wird, ganz in Treuen. Der wird eines Tages zetern, daß man nicht preußisch genug ist und Deutschland so aufsaugt, wie sein geliebtes Rom die Italiker. Aber zuguterletzt sind das doch alles Ehrenmänner, und wenn sie auch ihre demokratischen Phrasen niemals einsalzen werden, so müssen wir doch trachten, so gute Deutsche mal in unser Staatsschiff zu bekommen. Freibeuter und Piraten werden manchmal die besten Matrosen.«
    »Ich vermag Ihnen nicht zu folgen. Wollen Sie im Kampf gegen die Kammer nachlassen?«
    Otto lachte. »Nicht um Zollbreit. Ich kneipe nur a bissel Zukunft. Im Gegenteil ist mir das renitente Verhalten der Kammer sehr recht. Wir sprechen unter uns?«
    »Eine Frage! Wir stehen und fallen zusammen.«
    »Gut. Der König hält den Konflikt mit Österreich für zwar nicht erledigt, doch vertagt ad calendas Graecas . Ich aber sage Ihnen, die große Stunde naht. Nun, da ist mir lieb, daß man ihm nur die Wahl läßt, entweder das ganze Regierungssystem zu ändern, d. h. uns beide zu entlassen und das Parlament regieren zu lassen oder unwiderruflich auf dem betretenen Wege vorwärts zu schreiten. Er wird in ersteres niemals willigen, ergo !«
    Roon strich sich halb bedenklich, halb schmunzelnd den Schnurrbart. »Wie weit sind wir denn?«
    »Es steht so. Im Januar kam Karolyi, wie Sie wissen, mit unannehmbaren Instruktionen zurück. Österreich fängt richtig wieder an, mit dem Augustenburger zu spielen. Eine Volksversammlung solcher

Weitere Kostenlose Bücher