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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Weltkongreß ein Pfand meiner Friedensliebe geben? Gerade ich, dem man am meisten ehrgeizige Absichten zuschreibt. Nichts dergleichen schwebt mir vor, ich will ein ruhiges Gewissen haben, wenn ich von hinnen scheide.« Ade, du schnöde Welt! Otto hätte sich am liebsten nach Mexiko erkundigt, wo Louis' abenteuerliche Ehrsucht spazieren ging. »Nicht durch Waffen, sondern durch ordnende Weisheit sollte man politische Kombinationen lösen und gruppieren.« Das paßt ihm so. Denn im Grunde haßt er das rauhe Handeln, mehr Fuchs als Löwe, und hält sich für einen Rechenkünstler wie die Dominospieler im Café Riche: wer zuletzt eingreift, gewinnt die Partie. Seine natürliche physische Trägheit schreibt ihm solche Kalküls auf lange Hand vor, und seine Rechenexempel bleiben ein Stück Papier. Während der rechnet, handelt ein anderer. »Nun, Sie haben nicht solche feste Systeme wie ich sie aufbaue. Ich bestaune Ihre reizvolle Inkonsequenz. So z. B. hatten Sie nichts eiligeres zu tun, als für die amerikanischen Nordstaaten Partei zu ergreifen, Sie, der Antidemokrat für die übermütigste Demokratie.« Dies war jetzt gerade ein wunder Punkt für Napoleon, der auf Niederhalten der Union gerechnet hatte, um sein mexikanisches Zaubermärchen auszuspinnen. Solche Theorien aus Tausendundeiner Nacht mit seiner Eugenie als Scheherezade regten seine träumerische Einbildung an.
    »Sire, hier war die Demokratie die rechtmäßige Regierungsgewalt. Ich bin immer auf Seite starker Regierungen und auf Seite der Sieger. Nichts ist erfolgreich als der Erfolg, sagt das französische Sprichwort.«
    »Ach, wie traurig, nach dem äußeren Erfolg zu urteilen! Grundsätze stehen mir höher. Doch was ich sagen wollte – Sie teilen meine Skrupel nicht, Sie wollen einen grausamen Krieg. Mein Militärattaché Oberst Stoffel an Ihrem Hofe sendet mir sehr eingehende, vielleicht etwas übertriebene Lobeserhebungen über Ihre Armee. Auch Ihr neues Gewehr soll große Vorzüge haben. Wir bereiten etwas ähnliches vor, auch einen Hinterlader, das Chassepot.« Er öffnete einen Augenblick sein mattes Auge zu einem ziemlich tückischen Seitenblick. »Nun gut! Was sagen Sie zu der kleinen Grenzberichtigung, die ich damals wünschte?«
    »Das geht weniger Preußen als Deutschland an. Darauf läßt sich keine bestimmte Antwort geben, weil ich nicht weiß, wie die Süddeutschen sich zu dem kommenden Konflikt stellen werden. Doch warum suchen Eure Majestät die Grenzberichtigung nicht in Luxemburg und Belgien?«
    Louis blieb stehen. Eine matte, düstere Flamme glimmte in seinem verschleierten Auge. Belgien! Sein anderer Lieblingstraum! »Würden Sie dazu die Hand bieten?«
    »Warum nicht! Wenn wir unsere Garnisonen am Rhein in dem bewußten Falle entblößen dürften,« beide sahen sich an, »dann wäre ja der Augenblick da, um Kompensationen in angedeuteter Richtung zu suchen.«
    Der Kaiser legte die Hände auf den Rücken und schritt eine Weile schweigend die Blumenbeete entlang. Dann entschloß er sich. »Hier meine Hand! Sie wollen schon morgen nach Berlin zurück? Nun, Sie tragen dorthin mit sich die Versicherung meiner wohlwollendsten Neutralität.«
    Zu Merimée äußerte er später: »Ein sehr brauchbarer, tüchtiger Politiker, doch ich wiederhole immer noch, was ich früher urteilte, er ist nicht sehr ernst zu nehmen. Viel deutsche Träumerei. Die paar Siege über die Dänen stiegen ihm zu Kopfe, er glaubt, alles zerschlagen zu können. Die Österreicher sind stärker als er glaubt, wir erprobten es. Preußen wird in Bedrängnis geraten, die Überzahl muß es erdrücken, wenn das übrige Deutschland sich auf Österreichs Seite stellt. Das ist der Augenblick für uns, zu intervenieren. Ja, wir werden Venetien bekommen und manches andere ... was, weiß ich noch nicht ... der Krieg wird doch wohl von Preußen bezahlt werden, das ich jedoch vor Vernichtung bewahren werde. Ich sehe die Dinge klar voraus. Das ist mein wohlerwogener Entschluß. Der arme Bismarck tut mir leid, er ist ein Wagehals ohne richtiges Augenmaß.«
    Ja, da war nichts zu machen. Wenn Louis so bestimmt redet, hörte er Widerrede mit so viel Nachgiebigkeit an, wie ein Granit Regentropfen auffängt. Er hörte zu, nickte freundlich und tat dann doch, was er wollte, nämlich das Gegenteil, er warf Dekrete in den Papierkorb, um deren Abschaffung man bat, und am selben Abend standen sie im Moniteur. »Mein sanfter Starrkopf« nannte ihn Mama Hortense schon als Knaben. So verkniff sich

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