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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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gehen.«
    »Der Kronprinz fragt, warum denn eigentlich Krieg geführt werden solle. Er will den Augustenburger wieder einsetzen. Der nähme gleich an, und damit wäre jedermann befriedigt.«
    »Besonders Vicky!« brummte Roon unehrerbietig. »Der Kronprinz kennt zwei Autoritäten: seine Gemahlin und jeden Berliner Bezirksmann.«
    »Doch der König will auch immer noch heimlich Frieden und klammert sich an jeden Strohhalm.« –
    Der geplagte Botschafter Karolyi hatte es jetzt sehr streng mit seinem Dienst zwischen Berlin und Wien. Er überreichte eine Note mit der Frage, die er persönlich erläuterte: »Wollen Sie den Gasteiner Vertrag brechen?«
    »Nein. Wollt' ich's aber, so wär' ich nicht so dumm, es Ihnen zu sagen.« Das war entschieden grob, die Unterredung nahm schon einen gereizten Verlauf.
    »O ich bitt' schön! Ich dachte, Sie sagen alles, was Sie denken. Ihre Aufrichtigkeit ist so berühmt, damit können wir nicht konkurrieren.«
    »Nun denn, aufrichtig: Es ist höchste Zeit und gebieterische Notwendigkeit, daß wir Klarheit in unsere Beziehungen bringen.«
    »Ja, wären wir nur klar über Ihre Absichten! Unser alter Prokesch warnte immer vor ihrer Klarheit. Sie halten ihn für einen Dummkopf, und wir Österreicher sind nicht so geistreich wie Sie, aber auch nicht gerade auf den Kopf gefallen.«
    »Prokeschs schlimmster Feind wird ihm alles vorwerfen, nur keine Dummheit«, sagte Otto ruhig. »Als ich das Vergnügen seines Umgangs genoß, war er schon verbraucht, und ein greiser Diplomat behält von seiner Sünden Maienblüte oft nur die impotente Bosheit. Doch als er jung war, arbeitete er in Griechenland unter schwierigen Umständen wacker. Seine militärische Erziehung kam ihm dabei zustatten.«
    »Wie Ihnen«, verbeugte sich Karolyi. »Sie halten ihn wohl deshalb für unseren begabtesten Diplomaten?«
    »Allerdings. Wie den General Fleury in Paris. Es laufen leider zu viel zünftige Berufsmüßiggänger herum, die Militärattachés sind auf vielen Gesandtschaften die schönere Hälfte der Menschheit. Prokesch hat Orientierungssinn und Beobachtungsgabe.«
    »Er mißtraute Ihnen sehr«, versetzte Karolyi trocken. »In Frankfurt gewann er minder Ihren Beifall.«
    »Ja, da war er nur ein Theaterbösewicht, ein Intrigant wie auf einer Schmierenbühne. Doch sein Debüt in Athen war vielversprechend.« Anton Prokesch hatte dort alle Versuchungen des heiligen Antonius in diplomatischem Sinne ausgestanden, und sein Briefwechsel mit Gentz zeigte eine stilistisch-gedankliche Gewandtheit, wie man sie unter heutigen Diplomaten höchstens noch bei Franzosen wie Hanotaux findet. »Ich weiß wohl, er war Schüler von Metternich und Gentz. Das waren Reichsdeutsche, Gentz ein Lump, doch ein an Ideen fruchtbarer Kopf, nur waren die Ideen meist unfruchtbar. Prokesch erzählte mir mal, der alte Napoleonhasser habe ihm gegenüber Österreichs Torheit bedauert, Napoleon zu stürzen, wodurch es nur das gefährlichere Rußland groß zog. Metternich kannte ich als Wrack und zog ihn auf, ohne daß er es merkte, doch ich gestehe heute, daß der Mann, über den ich mich in meinem jugendlichen Leichtsinn lustig machte, manchmal tiefe Gedanken hatte. Geistig stand er hoch über all den verflossenen Pygmäen, die englischen Koryphäen inbegriffen. Doch das Handeln war nicht seine starke Seite, seine heiligen Allianzen kamen nur Rußland und Preußen zugute. Und nun gar seine Nachfolger –«
    »Danke für die Vorlesung!« unterbrach ihn Karolyi bitter. »Sie schweifen ab und weichen natürlich aus. Doch in dieser sehr dunklen Klarstellung fiel der Name Napoleon. Ich erlaube mir zu bemerken, daß unser Draht mit dem heutigen Napoleon noch nicht abgerissen ist.«
    »Darf ich mich nach dem Befinden des durchlauchtigsten Erzherzogs Maximilian, Kaiser von Mexiko, erkundigen?« gab Otto kalt zurück. Karolyi quittierte über den bedeutungsvollen Gegenhieb, indem er sich rasch verabschiedete. –
    Auf einem Diner beim sächsischen Gesandten Graf Hohenthal führte Otto die Dame des Hauses zu Tisch, die sich »der schrecklichen Gabe der Familiarität«, wie die Franzosen sagen, befleißigte und ihre politische Geschicklichkeit in naiv indiskreten Fragen suchte. Da Damen alles erlaubt ist, hauchte sie mit kindlicher Neugier:
    »Bitte, Exzellenz, ist denn wirklich wahr, daß Sie Österreich bekriegen und Sachsen annektieren wollen?«
    Ohne eine Miene zu verziehen versicherte der Ministerpräsident mit herzlicher Vertraulichkeit: »Aber ja,

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