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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Freiheiten haben möchten, die wir lange besitzen.«
    Der König lächelte wohlgefällig. Nichts tat ihm wohler als solcher Hinweis. »Er laboriert also wie wir an Konfliktszeit?«
    »Thiers, Ollivier, Jules Favre und andere Advokatenmeister der Rede werden ihm keine Ruhe lassen. Ehe er sie abschüttelt, sind wir hoffentlich schon über alle Berge.«

Es war am 7. Mai nachmittags 5 Uhr, als Otto vom Vortrage beim König zu Fuß auf der Mittelallee durch die Linden heimkehrte, als gegenüber der russischen Gesandtschaft plötzlich drei Schüsse fielen. Ein junger, schmächtiger Mensch hatte sie auf den Ministerpräsidenten abgegeben. Die letzte Kugel streifte ihn an der Rippe, vorübergehend das Rückgrat erschütternd. Rasch packte Ottos eiserne Faust den Missetäter an Handgelenk und Kehle. Dieser warf jedoch den Revolver in die Linke und feuerte aus nächster Nähe. Soeben kam eine Kompagnie vom 1. Garderegiment die Straße herunter und bemächtigte sich des Festgenommenen. »Sind Exzellenz verletzt?« »Keine Spur. Nur der Rock ist verbrannt.« Otto schritt gleichmütig mit gemessenem Schritt die Wilhelmstraße hinauf und trat sehr gelassen in die bei ihm versammelte Tafelrunde ein. Diese sollte um 5 Uhr das Diner beginnen, und Johanna wunderte sich erst, ängstigte sich dann, als eine halbe Stunde darüber verging. Doch man redete ihr zu: »Es kam schon öfters vor, daß er länger beim König blieb.« Da erschien er auch schon und grüßte besonders freundlich: »Welch liebe Gesellschaft! Entschuldigen Sie mich einen Augenblick!« Er ging in sein Arbeitszimmer und teilte schriftlich dem König mit, was geschehen. Dann kam er zurück und spaßte vorwurfsvoll: »Essen wir denn heute gar nicht?« Indem er einer Dame den Arm bot und zu Tische ging, streifte er die Gattin, küßte sie auf die Stirn und murmelte: »Mein Kind, sie haben auf mich geschossen, doch es ist nichts.« Man hörte es doch, nachdem man zuvor weder Unruhe noch Aufregung bei ihm wahrnahm, alles drängte sich mit erschreckten Gesichtern um ihn. Er setzte sich jedoch lachend zu Tisch und ließ sich die Suppe munden. »Was ist da zu verwundern! Wer als öffentliche Zielscheibe dasteht, wird eben beschossen.« Johanna hatte sofort nach dem Arzt geschickt, und dieser untersuchte den Tatbefund. »Wie ist nur möglich, daß drei Kugeln aus solcher Nähe fehlgingen und die eine, die traf, so unschädlich abplattete!« rief einer der Gäste. Der Arzt erwiderte ernst: »Gott hatte seine Hand dazwischen, sonst war es unmöglich.«
    Kaum sagte er's, als ein Diener hereinstürzte: »Seine Majestät der König.«
    Der greise Monarch hatte sein eigenes Essen verlassen, ließ anspannen und fuhr beim Ministerpalais vor. Otto ging ihm bis zur Treppe entgegen und empfing einen herzlichen Händedruck. Der König war tiefbewegt. »Mein lieber Bismarck,« seine Stimme bebte, »ich danke Gott aus tiefster Seele für die Gnade, daß Sie mir erhalten blieben. Welch ein Verlust für das Vaterland, wenn Sie uns genommen wären! Jetzt erst fühlt man so recht, wie unersetzlich Sie sind!« Otto küßte ihm die Hand. Bald darauf erschienen die Prinzen, ihr Beileid und ihren Glückwunsch zur Errettung auszusprechen. Sie leerten ein Glas auf sein Wohl. Die Zahl der Besucher nahm bis zur Nacht kein Ende, die ihre Namen in die ausgelegte Liste eintrugen. Den Reigen eröffnete übrigens Wrangel, der sich mit dem Ministerpräsidenten seit lange auf besten Fuß stellte, küßte ihn auf beide Wangen und rief pathetisch: »Mein Sohn, ick preise den lieben Gott. Du bist unsere olle Jarde, die niemals stirbt.« Es sprach sich bald herum, daß der Attentäter, Ferdinand Cohen, ein Stiefsohn des badischen Demokratenführers Karl Blind sei, der als Verbannter in London seinen Sprachstudien lebte. Das Wahnsinnlallen württembergischer Demagogen, bei denen Preußenhaß und Freiheitswut zu einem dampfenden Brei unkenntlich zusammenflossen, hatte ihm den schwachen Kopf erhitzt. Auch dürfte seine jüdische Eitelkeit einen Herostratenruhm gesucht haben. Er entzog sich dem Gericht durch Öffnen der Pulsader.
    »Wär' ich im Himmel und der Schurke stände auf der Leiter zwischen Himmel und Hölle,« rief Johanna mit erhobener Stimme, »ich würde die Leiter umwerfen, daß er in die Hölle purzelte, wo er hingehört!« Aber als dies drastische Gleichnis ein beifälliges Murmeln hervorrief, klopfte sie Otto von hinten auf die Schulter und flüsterte sanft: »Pst, mein Herz! Mit solcher Gesinnung

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