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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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wärst du selbst nicht im Himmel!«
    Als die Gäste gingen und kein konservativer Bezirksverein mehr die stille Wilhelmstraße mit Ovationen füllte, fiel Johanna ihrem Ottochen weinend um den Hals. »O der schändliche Mordbube! Solche Teufel in Menschengestalt sollte man umbringen wie wilde Tiere.«
    Doch er schüttelte den Kopf. »Vielleicht ein armer junger Mensch von reinen Sitten, wie einst der Student Sand, der jenen Ekel Kotzebue abwürgte. Kotzebue und ich sind ein edles Paar, die Dioskuren der Verworfenheit, die Verräter und Vergifter Deutschlands!« Eine unsägliche Bitterkeit übermannte ihn. Ja, 15 Arbeitsjahre Tag und Nacht in Deutschlands Dienst und dies der Lohn! Und noch grausamer schnitt ihm der verblendete Haß ins Herz, als die nächsten Tage einen Taumel schandbarer Verherrlichung des dummen Bengels sehen ließen. Mit dessen Leichnam einen ehrlosen Kultus treibend, kränzten ihn mit Blumen und Lorbeer allen voran die Damen der Professorenwelt. Die Polizei schritt gegen vielfachen Unfug nicht ein, denn die Schutzleute wußten ja, daß viele vornehme Kreise damit sympathisierten. Ein Straßenjunge sang vor Ottos Balkon bedeutungsvoll das alte, schöne Bänkelsängerlied:
    War wohl je ein Mensch so frech,
Wie der Bürgermeister Zech!
Dieser schoß die Landesmutter
Durch das werte Unterfutter.
    Und ein Chorus, der vorüberpilgerte, wiederholte fortwährend: »Schade, schade!« Doch der stolze Mann fand sich wieder in gewaltiger Fassung. »Dein Haß, mein Lieb, ist kleinlich wie der meiner Feinde. Nichts soll uns hier erschüttern als die ewige Gerechtigkeit des ewigen Gottes. Er, der Allwissende, weiß, daß ich solchen Tod nicht verdiene, gerade jetzt, wo ich mein Werk tun soll, und siehe da, seine allmächtige Hand lenkt unsichtbar die Todeskugel beiseite. Nun bin ich doppelt erhoben und gestählt. Die Toren, denen das All nur bewegte Materie ist, mögen es Zufall nennen. Ich aber, der weiß, daß Gott lebt, beuge mich ehrfürchtig vor diesem Zeichen, daß ich in der Gnade bin und daß ich tun soll, was ich muß, zur Ehre deutscher Nation.«
    *
    Am 24. Mai fand sich abends bei ihm der neuernannte Stabschef der II. Armee ein, General v. Blumenthal, ein kleiner, schmächtiger Herr, der allen Kommißidealen äußerer »Turnüre« hohnsprach. Auch diesen entdeckte einzig und allein der große Herrscherverstand König Wilhelms, der ihn schon als Prinz von Preußen an sich fesselte.
    »Seine Majestät sagte huldvoll in der Kabinettsorder: ›Ich erweise Ihnen durch Verleihung dieser Stellung ein großes Vertrauen und hoffe, daß Sie demselben entsprechen werden.‹ Nun, ich hoffe es. Der frische Sinn des Kronprinzen liegt mir besser als der Ernst des Prinzen Friedrich Karl.«
    »Der Krieg ist aber doch etwas sehr Ernstes.«
    »Leichtes Blut gehört dazu, sonst hat man zu viel Bedenklichkeiten. Ich meldete mich vorvorgestern bei Seiner Majestät. Der König sprach sich bitter über die Kleinstaaten aus, deren Neutralität ja über Krieg und Frieden entscheide. Er baut auf besondere Wirkung der II. Armee in Schlesien und geruhte zu betonen, er habe mich ausgesucht, um seinen Sohn zu leiten. Wozu der Mensch nicht kommt! Ich hielt mich nie für einen Feldherrn. Daß der König mich dafür hält, begreife ich nicht.«
    »Sie werden gewiß das allerhöchste Vertrauen rechtfertigen.« Otto erkannte sogleich, daß der kleine Herr ziemlich eitel und selbstbewußt von ganz hervorragender Tüchtigkeit sei. »Setzten Sie sich mit Moltke in Verbindung?«
    »Wir sind ganz d'accord , nur scheint mir Herr v. Moltke seine Neigung für exzentrische Unternehmungen zu übertreiben. Er will auch aus Oberschlesien eine Diversion machen, während ich selbst Breslau preisgeben würde, um nur zur Entscheidungsschlacht alle Kraft zu vereinen.«
    »Und wie stehen Sie, unter uns gesagt, mit Ihrem neuen Chef? Ich weiß, Sie werden ehrlich antworten, meiner Diskretion gewiß.«
    »Seine Königl. Hoheit empfing mich mit seiner immergleichen Freundlichkeit, gestand mir aber offen, er habe Goeben gewünscht, Seine Majestät jedoch mir den Vorzug gegeben.« Einen schlagenderen Beweis für den geradezu genialen Instinkt des in seiner Weise großen Herrschers kann man sich nicht denken. Übrigens wollte er auch dem kränklichen Brillenträger Goeben sehr wohl, der gleiche, stramme Soldat, dem eine lächerliche Verkennungslegende den Kommißbegriff eines Unteroffiziers zusprach. An alledem ist kein wahres Wort, nur die maßlose

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