Bismarck 02
Entthronung Schritt für Schritt zu dämpfen, durch Empörung über schnöde Abweisung unserer Versöhnlichkeit, habe ich nicht noch vor vier Wochen Hannover erklärt, daß die Pflicht der Selbsterhaltung für uns allen vorgehe? Doch ich wußte vorher, daß man verstockt bleiben werde. –
Jetzt gingen Telegramme und Boten hin und her, der Chef des Großen Generalstabs wußte jeden Tag etwas Neues, was des Menschen Herz erfreute. Am 15. Manteuffel über die Elbe, Vogel v. Falkenstein von Minden auf Hannover, am 17. Division Goeben dort, aus Göttingen die hannoversche kleine Armee mit dem König in Marsch auf Eisenach. Die sächsische mit König Johann nach Böhmen abmarschiert. Am 18., 19. Dresden und Leipzig besetzt. Ganz Hessen überrannt wie Hannover, ganz Norddeutschland am 20. in preußischen Händen.
»Den Kurfürsten hätten wir nun. Der eigensinnige Narr blieb in Wilhelmshöhe sitzen, als werde sich niemand an seine geheiligte Person wagen, Seine Majestät wird ihn als Festungsgefangenen internieren. Wie steht es mit der hannoverschen Armee?« fragte Otto bei Moltke an.
»Ich fürchte, sie entkommt uns, es sei denn, daß die Bayern ihnen nicht rechtzeitig die Hand reichen. Die stehen in Bamberg aufmarschiert, doch ich zweifle an ihrer Marschfähigkeit. Wir werden binnen einer Woche 50 000 Mann als Mainarmee versammelt haben, doch vorher stehen nur Detachements nahe genug, um den Durchbruch aufzufangen.«
»Dann muß ich Ihnen zu Hilfe kommen,« lächelte Otto. »Das Auswärtige Amt erhielt nämlich Depeschen von König Georg, er will unterhandeln, der Herzog von Koburg dient als Mittelsmann. Wir können mehrere Tage gewinnen, wenn Ihnen das recht ist.«
»O, zehnmal recht! Doch was höre ich? Er will nachträglich einlenken?«
»Vielleicht nur, um die Bayern herankommen zu lassen. Ich werde jedenfalls so verhandeln, als ob er uns täuschen wolle. Es soll ihm nichts nützen.«
»Wenn er auf die Großmut des Königs spekuliert –«
»Das ist meine größte Sorge. Jetzt redet er von Militärkonvention, Eintritt in unseren Bund, doch alles so verklausuliert und zögernd, daß die Halbheit wie böse Absicht wirkt. Vielleicht bekam er wirklich Angst und will sich salvieren. Doch sein Dünkel wird über Nacht erwachen, er wird zuletzt sich störrisch zeigen, und bis dahin haben Sie ihn in der Falle.«
»Nur bedingungslose Kapitulation oder Übertritt seiner Truppen unter unsere Fahnen! Doch mit letzteren könnte er sich politisch noch retten?«
»Fürchten Sie nichts, sein starrköpfiger Hochmut wird sich nie dazu verstehen, und das weiße Welfenroß seines Wappens schlägt immer nach hinten aus. Auch wird er von Österreichs Sieg seine Erlösung hoffen.«
»Da kann er lange warten.« Der große Schweiger, wie man ihn nannte, hatte schon zu viel gesprochen und kramte in seinen Karten, um anzuzeigen, daß er nichts mehr zu reden wünsche.
»Nur ein Wort noch! Der Feldzeugmeister Benedek?«
»Mir ein Rätsel. Steht bei Olmütz und scheint auf Josefstadt zu marschieren. Die Nachricht kann täuschen. Doch die nächsten Tage werden lehren, ob er wirklich die Grenzpässe nicht ordentlich verteidigt.«
»Will er uns nach Böhmen hineinlocken?«
»Möglich. Seine Stabschefs Henikstein und Krismanic sind gelehrte Theoretiker und sind wohl auf die innere Linie versessen. Sie ahnen nichts von unserer Beweglichkeit und überlegenen Bewaffnung, die uns erlaubt, auch in getrennten Aktionen den Stoß auszuhalten, indes unsere Einkreisung immer enger sich schließt.«
»Ich kenne Ihr Motto: Erst wägen, dann wagen! Daß Sie alles vorher überlegten, weiß ich.« Moltke brummte etwas und sah öde an ihm vorbei, als wolle er andeuten, er verschmähe strategische Vorträge vor einem Nichtfachmann.
»Nur noch eins. Die Italiener?«
»Werden wohl höllische Klopfe kriegen. Lamarmora hat weder Talent noch Charakter.«
»Ich habe das Meinige getan, schon am 19. durch Usedom eine Note überreichen lassen, die Ihre Ideen widergibt. Unser Unterhändler Theodor v. Bernhardi hatte dies schon erläutert. Also Vordringen durch Kärnten auf Ungarn, wohin wir ein fliegendes Korps aus Schlesien senden wollen, um eventuell dort Insurrektion zu entfesseln.«
»Davon verspreche ich mir nichts, aber auch nichts von Lamarmoras Befolgen der Vorschläge. Wer was kann, kann was lernen, wer nichts kann, kann auch nichts lernen. Wir werden die ebensowenig brauchen wie die Ungarn und werden allein fertig werden.« –
Plautz, da lag
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