Bismarck 02
vor Durchnässung ganz heiser geworden. Die Stimmung war nicht gut. Die feindliche Hauptmacht stand angeblich schon gesammelt bei Olmütz und wir erwarteten Neiße gegenüber den Einmarsch von fünf Korps und viel Kavallerie schon am 10. Wir wollten in die gute Stellung von Neiße vorgehen, der Chef des Großen Generalstabes untersagte aber die Bewegung ohne Genehmigung Seiner Majestät, die Allerhöchstsie dann wirklich erteilten. Viel freie Hand ließ man uns also nicht.« Moltke räusperte sich, schwieg aber. »Wir entfernten uns so noch mehr von der I. Armee, doch ich nahm an, man gebe den Plan auf, mit der Hauptmasse Böhmen anzugreifen.«
»Wie Sie sehen, stehen wir jetzt siegreich in Böhmen,« mahnte Moltke kalt.
»Ja, weil der Feind sich unglaublich benahm. Wir hatten anfangs nur 80 000 Mann gegen 160 000 Österreicher. Daß diese nicht in Fluß kamen, war nicht vorauszusehen. Sie transportierten Massen per Bahn aus Krakau gegen die Grafschaft Glatz und wir waren erst dorthin auf dem Marsche. Gottlob hatten wir am 18. schon 130 000 und trotz Tartarennachrichten und Generalmarsch störte uns der Feind nicht. Am 20. war ich mir klar, daß wir selbst offensiv werden könnten. Im übrigen Deutschland gingen die Dinge ja sehr glatt und der Herr Ministerpräsident fädelt alles so kühn ein, daß ich große Hoffnungen schöpfte.« Er verbeugte sich vor Otto. »Damals kam Oberstleutnant Veith mit einem Schreiben des Generals v. Moltke, daß die I. Armee in Böhmen Schlacht suchen und unser 1. Korps bei Trautenau unterstützen solle. Sehr einverstanden. Hiernach fiel uns die Aufgabe zu, den etwaigen Sieg auszubeuten. Am 22. brachte uns ein Feldjäger ein Schreiben des Grafen Bismarck über die politische Lage, wofür wir sehr verbunden waren. Der Vormarsch begann, und ich kann versichern, daß ich die Karte so lange studierte, bis meine schwachen Augen tränten. Ich litt an nervösem Kopfschmerz, doch ich glaube, der Energie unserer Bewegungen hat man nichts angemerkt.« Moltke verbeugte sich. »Nachher schrieb uns der Große Generalstab alles das vor, was wir längst begonnen. Die Operation übers Gebirge war sehr gefährlich, doch ich verkannte nicht die Notwendigkeit. Am 23. erhielten wir in Kamenz, Schloß Prinz Albrechts, wieder Tartarennachrichten, trotz des abscheulichen Wolkenbruches rücken wir vorwärts, obschon mir das Herz blutete. Kranke und Marode von solchem Gebirgsmarsch!« Der König nickte teilnehmend. »Wir versprachen, am 28. bei Königinhof zu sein, also gab es keinen Ruhetag. Am 24. hatten wir einen schweren Tag für weitere Marschanordnung, in der Nacht tat ich kein Auge zu, weil unser Hauptquartier entblößt blieb für einen Handstreich feindlicher Kavallerie.«
»Wie bei uns in Reichenberg«, lächelte der König.
»Seine Königl. Hoheit blieben dabei stets ruhig und freundlich und wirkte auf die Truppen höchst angenehm. Am 26. bei Nachod, zwölf Stunden zu Pferde, tröstete seine glückliche begeisterte Stimmung die Verwundeten, rastlos sprach er die braven Bataillone an und feuerte alle an, wo er konnte.« Der König lächelte glücklich. »Vom Weiteren sage ich nur, daß die Anstrengung übermäßig war und der Mangel an Kriegserfahrung bei vielen Generalen sich rächte. Bagagen und Munitionstrains waren vielfach im Wege. Am 1. Juli gab uns Major Graf Häseler bekannt, daß die I. Armee schon bei Gitschin sei, und am 2. erhielten wir die Direktive, daß beide Armeen auf beiden Elbufern rekognoszieren sollten.« Der nervöse Mann stand auf und ließ sich zu der Offenheit fortreißen: »Das war mir denn doch zu stark.« Er setzte sich wieder und berichtete trocken: »Ich fuhr mit Major Verdy seit 10 Uhr morgens nach Gitschin und habe jetzt die Ehre, hier meine untertänigste Warnung vor Fortsetzung so konzentrischer Bewegungen vorzubringen. Da müssen wir ja vereinzelt geschlagen werden.« »Was sagen Sie dazu?« wandte sich der König an Moltke.
»Ich halte diese Befürchtung für übertrieben, da unsere qualitative Überlegenheit uns immer aushelfen wird. Immerhin glaube ich, man wird diese Bewegung modifizieren müssen. Ich verkenne nicht die theoretische Triftigkeit der Einwendung. Wir werden aufschließen und uns möglichst vereinen.«
»Und wenn wir die Schlacht gewinnen, gerade auf Wien los, nicht rechts noch links blicken.« Blumenthal rief dem König zu: »Eure Majestät müssen von Gitschin nach Wien ein Lineal auf der Karte anlegen, einen Bleistiftstrich ziehen und
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