Bismarck 02
vorerst nur fünf Batterien Friedrichs Karls den Abzug der Reservekorps mit Granathagel begleiteten, erstürmten die Schlesier mit klingendem Spiel das Dorf Wsester und erbeuteten 12 Geschütze, dann nochmals 14 und trieben den Feind auf Briza, neun ihrer Batterien aufpflanzend. Obschon aber beide preußischen Flügel schon auf eine Viertelmeile voneinander vorrückten, erreichten die drei Ulanenregimenter der Division Alvensleben den Feind nicht mehr und die Elbarmee blieb im allgemeinen stehen. Eine neue feindliche Geschützaufstellung bei Rosnitz wurde zwar niedergekämpft, indem Friedrich Karl neun neue Batterien vorbrachte. Zastrows Schlesier warfen das Korps Gondrecourt aus Rosnitz und Briza, erbeuteten 18 Geschütze, und nachdem sie die Ziegelei auf der Königgrätzer Chaussee überschritten, schien mindestens das ganze Korps Gondrecourt abgeschnitten. Es hatte bei Chlum und Rosberitz schon 4000 Tote und Verwundete eingebüßt (Korps Molinary sogar 5000), Regimenter Deutschmeister und Ehrbach (Böhmen), die altbekanntesten der k. k. Armee, litten besonders, und es ließ bis zur Nacht auch wirklich 6000 Unverwundete in Händen der Sieger.
Aber die angelangte Division Etzel der Elbarmee tat nichts als Batterien vorzuziehen, die wegen Flankenfeuer aus Bor auf Prim retirierten. Bis ½ 8 Uhr tobte noch ein heftiger Geschützkampf, an dem zuletzt 17 Batterien Friedrich Karls, acht des Kronprinzen, vier der Elbarmee teilnahmen. Wesentliche Wirkung blieb aus. Die Sachsen und Kavallerie Edelsheim deckten in fester Haltung das Abfließen des Rückzuges über Pardubitz, da nur die Korps Thun und Molinary den Übergang bei Lochenitz noch benutzen konnten, nur teilweise über Königgrätz, da diese Festung lange ihre Tore schloß, um nicht von den Flüchtlingsmassen überschwemmt zu werden. Es entstand zuletzt die wildeste Flucht, was die preußische Oberleitung aus den Umständen hätte folgern müssen. Trotz der wider alles Erwarten geglückten konzentrischen Umfassung hatte man kein Korps abschneiden können, aber ein Blick auf die topographische Karte mußte lehren, daß unermüdliches Nachdrängen noch schönste Früchte tragen und die Auflösung des Kaiserheeres vollenden mußte. Selbst neue Opfer brauchte man nicht zu scheuen, wenn man nur rechtzeitig österreichische Artillerielinie niederriß und in den Fluchtgreuel an den Elbübergängen hineinstieß.
Solches erwartete Bismarck, der mit gewohntem Hellgesicht in die Ferne später. Es gab auch sonst manches noch zu sehen auf diesem grausigen Schlachtfelde. Als er später beiseite ritt zu einsamer Betrachtung, machte ihm das Leichenfeld das Blut in den Adern erstarren, ein lähmendes Entsetzen befiel ihn. Jämmerlich schrie ein armer schöner Gaul, dem eine Granate beide Hinterfüße wegriß und der sich mit den Vorderfüßen zitternd aufstemmte. Seine großen Augen, naß und hilfeflehend, gingen dem gutherzigen Deutschen durch Mark und Bein. Die arme Kreatur weiß nicht, wofür sie leidet, und was geht sie die deutsche Einheit an! O schreckliches Dasein, wir leiden und machen leiden, selbst wenn wir unsere Pflicht tun. Nicht weit davon graste der berühmte riesige Ziegenbock der Gardeartillerie, der neben dem Stabstrompeter possierlich bockend auf den Feind losstürzte, als wolle er alles auf sein Horn spießen. Die Slawen erkannten in ihm den alten Heidengott Zornebog, den Satanas, mit dem der Unterteufel Bismarck einen Privatpakt schloß. Doch dicht daneben lehnte ein junger bildschöner Offizier an einem Gartenzaun, ein winziges rundes Loch auf der Brust, hinter ihm blühten Rosen. Von denen brach ein Märker eine Handvoll und streute sie auf die Todeswunde.
»Kennen Sie den Toten?« fragte Otto bewegt.
»Ne, Herr Major. Doch jefochten hat er wien'n Löwe und jefallen is er wie'n Lämmchen, da wollt' ik ihn man vor die Pferdehufen schützen und hab' ihm ufrecht anjelehnt. Mein' Mutting jäbe mir ooch woll Rosen ins Jrab. Na adjes, Herr Major!« Damit stürmte er weiter. –
Der König war bis an die Ostspitze des Charbusitzer Waldes in den Gefechtskreis der Elbarmee vorangesprengt, zahlreiche Granaten platzten um ihn. Schon um ½ 7 Uhr legte ihm Moltke einen Armeebefehl vor, wonach »morgen« ein Ruhetag eintreten und nur die Elbarmee auf Pardubitz verfolgen sollte. »Alle drei Armeen sind förmlich ineinander geraten, es braucht Märsche, sie wieder auseinander zu lösen. Die Truppen sind überanstrengt, 19 Stunden in Bewegung, zehn im Kampfe ohne
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