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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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nachsehen konnte.
    »Ich beantrage die Abberufung eines so unbrauchbaren Beamten, um nichts Schlimmeres zu sagen. Schon vor dem großen Kriege hat der nur Dummheiten und Pflichtwidrigkeiten begangen, jetzt ist das Maß voll. Er schwänzt den Dienst ganze Wochen und Monate und läßt seine Sekretäre auf Blanketts mit seiner Unterschrift Unterredungen mit Ministern protokollieren, die er nie sprach. Das ist geradezu Fälschung. Solche bedenkliche Aufführung kann ich im Interesse des Dienstes nicht länger dulden und ersuche Eure Majestät, den Herrn zur Disposition zu stellen.«
    Der König geriet in große Verlegenheit. Wie durfte er gegen einen hohen Freimaurer seine geradezu religiöse Bruderpflicht verletzen! Er lehnte ab, worauf Otto unverzüglich die Geschäfte niederlegte und seine Entlassung forderte. »Meine persönliche Liebe zu Eurer Majestät muß ich dem Staate opfern, das ist meine Pflicht.«
    Sehr bald erschien Kabinettsrat Woermann mit einem Handschreiben des liebenswürdigen edlen Greises, der ihn freilich auch in einer anderen Angelegenheit gekränkt hatte. Der Magistrat von Frankfurt a. M. hatte sich nämlich Anfang Februar an den König herangemacht, um eine Ausführung zu strenger Maßregeln zu hintertreiben. Seine grenzenlose Gutmütigkeit und Großmut hatten sich breitschlagen lassen, an die so preußenfeindliche Stadt 200 000 Gulden für angebliche Ansprüche aus der Staatskasse zu überweisen. Wenn alle Schädlinge so fortfuhren, sich hinter den Monarchen zu stecken und zu verkriechen, schien ein gedeihliches Fortwirken des Ministeriums gefährdet.
    »Mein größtes Glück ist es ja, mit Ihnen zu leben und fest verbunden zu sein! ... Ihr Name steht in Preußens Geschichte schöner als der irgendeines Staatsmannes. Das soll ich lassen? Niemals. Ihr treuester Freund W.« Wann schrieb je ein Monarch von selbst festem Willen und klarer Einsicht so an einen Minister! Nur ein Elender kann darin Schwäche erblicken, diese zärtlichen Worte duften von Blüte hohen Menschentums.
    Gleich darauf langte ein Brief Roons an, der am Abend zuvor mit Otto Rücksprache nahm und ihm zurief: »Fassen Sie Ihre Antwort so, daß Einlenken möglich bleibt. Sie dürfen nicht die Schiffe hinter sich verbrennen. Ganz Europa würde Sie auslachen, daß Sie Ihr Werk einer noch so berechtigten Empfindlichkeit opfern. Man wird schadenfroh jubeln: er verzweifelte an Vollendung, darum ging er.«
    »Ob man meine Motive würdigt, kümmert mich nicht. Sie verweisen auf dies treuherzig zärtliche Billett. Doch ist es Wahrhaftigkeit?«
    »Es macht den Anspruch darauf. Das dem vollgültigen Golde beigemischte Kupfer der falschen Scham ist auch nicht falsche Münze. Verehrter Freund, Sie kennen meine unwandelbare treue Ergebenheit und Anhänglichkeit für Ihr Wirken und Ihre Person. Seien Sie vernünftig! Die Stellung des hohen Schreibenden erlaubte ihm nicht, ohne weiteres zu bekennen – er will und kann es nicht –, daß er sehr unrecht tat und sich bessern wolle.« In diesem mehr als offenen Tone sprach sich Roon auch schriftlich über die Sache aus. Diese wahrhaft patriotischen starken Männer kannten eben nie Byzantinismus, für sie war ihr König nur der Staat, das Vaterland, und wenn dem letzteren durch ersteren ein Schaden zu kommen drohte, nahmen sie nie ein Blatt vor den Mund.
    Otto zog seine Demission zurück, der König aber erwies aufs neue sein echtes Gold. »Dank, herzlichen Dank, daß Sie meine Erwartung nicht täuschten,« daß der grollende Achilleus »meinen Vorstellungen Gehör geben würde«. Er verteidigte und entschuldigte sein Verhalten wie unter Gleichgestellten, und sein ausführlicher Brief nimmt entschieden für die Auffassung ein, daß keineswegs, wie die beiden Minister es auslegten, Eigenmächtigkeit und irgendwelche Zweideutigkeit vorlagen. Wenn Otto die Amtsenthebung des Unterstaatsekretärs Sulzer und des Usedom forderte, so fiel es dem König allerdings schwer, letzteren zu entfernen, aber daß er dabei sich zu spröde gezeigt habe, war Übertreibung. Er bewies sich sorglich darauf bedacht, Ottos Arbeitsüberbürdung zu mildern. Er begreife, daß dieser sich müde und erschöpft fühle. Er fühle es ja selber nach, »kann und darf ich deshalb daran denken, mein Amt niederzulegen? Ebensowenig dürfen Sie es. Sie gehören sich nicht allein sich selbst an, Ihre Existenz ist mit Preußens, Deutschlands, Europas Geschichte zu eng verbunden, als daß Sie sich von einem Schauplatz zurückziehen

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