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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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ist klar. Nun, es wird sich wohl alles zum Guten wenden.«

... Bei Tische machten die zwei Generale ihm erneut Vorwürfe, daß er aus dem Dienste scheiden wolle. »Wenn Sie quittieren, werden Ihre Feinde es wie Desertion auslegen«, sagte der derbe Roon.
    »Vor Schande fliehen, die man nicht abwaschen kann, ist besser als am Pranger stehen. Berufssoldaten sind für politische Ehre nicht verantwortlich.« Es ging schon auf 6 ¼ Uhr – Otto dinierte nach englischer Tageszeit –, als Keudell hastig eintrat. »Ein Chiffretelegramm von 200 Gruppen kam aus Ems, wird soeben übersetzt.« »Nur rasch her damit! – Das bedeutet etwas. Ein so langes Telegramm berichtet wohl Neues. Wie Sie wissen, habe ich Abeken bei Majestät attachiert, um mit mir in Verbindung zu bleiben.«
    Die Entzifferung ergab, daß Geheimrat Abeken auf Befehl die Depesche redigierte und unterzeichnete. Unter lautlosem Schweigen las der Minister vor. Es begann vielversprechend:
    »Graf Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf zuletzt sehr zudringliche Art zu verlangen,« der König solle ein für allemal ›für alle Zukunft‹ sich verpflichten, nie wieder der Kandidatur beizustimmen. »Ich wies ihn zuletzt etwas ernst zurück,« solche Engagements à tout prix könne man nicht übernehmen, zumal mein Gouvernement wiederum außer Spiel sei. Er habe Graf Benedetti nicht mehr empfangen, sondern ihm nur durch einen Adjutanten sagen lassen, jetzt sei die Sache ja gütlich erledigt, so daß er ihm nichts weiter zu sagen habe. »Seine Majestät stellt Eurer Exzellenz anheim, ob nicht die neue Forderung Benedettis und ihre Zurückweisung sogleich sowohl unserem Gesandten als in der Presse mitgeteilt werden sollte .«
    Bei dieser Vorlesung entfärbten sich die Generale, ließen Messer und Gabel sinken und verweigerten gleichsam Speise und Trank, indem sie vom Tische abrückten. Auch Ottos bemächtigte sich tiefe Niedergeschlagenheit: also Nachgeben auf der ganzen Linie!
    ... Wie? Träumen wir? Die Nachwelt steht vor einem psychologischen Rätsel. Die Legende verunstaltete den welthistorischen Vorgang, doch nicht einseitig, sondern nach jeder Richtung. Das Kutschkelied ertönte: Da sah unser Wilhelm Rexe sich das klägliche Gewächse mit den Königsaugen an. Als in Ems später der Gedenkstein enthüllt wurde, wo König Wilhelm angeblich Benedetti auf öffentlicher Promenade den Rücken kehrte, murrte der königliche Kurgast mit bitterem Ärger: »Ist ja gar nicht wahr!« Naive machen sich eine sonderbare Vorstellung von den Manieren eines Königs und eines Botschafters. Der oberste Flügeladjutant Prinz Radziwill übermittelte aufs höflichste die Versagung der zweimal zudringlich begehrten Schlußaudienz, der greise hohe Herr sei ermüdet und die Sache ja nun endgültig erledigt. Bei der Abreise fand sich Benedetti am Bahnhofe ein und trennte sich vom König mit beiderseitiger gemessener Höflichkeit. Aber daß der große Monarch sich mit hoheitsvoller Würde benahm und sich auch bezüglich der Gebote internationaler guter Sitten nichts vergab, stößt doch gewiß das Telegramm nicht um, nämlich das Schärfste und ernst Drohendste , was je aus seiner Feder floß, Abekens »Redigierung« ausdrücklich gutheißend. Wie irgendein Mensch dies für eine Schamade halten konnte, ist unbegreiflich. Man kann nur annehmen, daß die drei Paladine sich in so pessimistisch hoffnungsloser Verärgerung befanden, bis ihnen das rechte Augenmaß abhanden kam und sie überall Unterwerfung und Demütigung witterten. Andererseits steht freilich fest, daß der König, als er in Köln eine jubelnde Menschenmasse traf, die ihm begeistert huldigte, erstaunte: »Was ist denn los?« Als Graf Lehndorff ihm dann die überall angeschlagene »Emser Depesche« überreichte, wurde er leichenblaß. »Das ist ja der Krieg!« Wie? Darüber wunderte er sich nach seiner eigenen Depesche? Wer sie aufmerksam liest, den belehrte schon die ›Wendung: »ihm nur durch einen Adjutanten sagen lassen« (Flügeladjutant Prinz Radziwill!) und das Anheimstellen am Schlusse, dies aller Welt mitzuteilen, daß dem tapferen Greise völlig die Geduld riß und er das dreiste Anrempeln nicht länger ertragen wollte. Es gibt nur eine Erklärung: er begab sich nämlich zunächst nach Koblenz, wo seine Gemahlin ihm fast das Wort abnahm, den Krieg doch noch zu verhüten. Der König kannte aber seinen Bismarck und verkannte sicher nicht, daß dieser eine entsprechende Form der Zurückweisung finden werde.

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