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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Er muß also innerlich sehr an Aufrechterhalten des Friedens gezweifelt haben. Daß nachher die Außenwelt die »Emser Depesche« in der welthistorischen Form für ein Werk des Königs selber hielt, ist mindestens eine viel unwichtigere Legendentäuschung, als die lächerliche heutige Annahme, er habe zu Kreuze kriechen wollen und nur der Kanzler habe eine ziemlich harmlose Beendigung eines Konflikts zu einer schallenden Maulschelle an Frankreich umgewandelt. Nein, Wilhelms Majestät hat sich höchst königlich bewährt, er und sein Kanzler waren hier einander würdig ...
    Während die Generale düster vor sich hin starrten, blieb Ottos Auge gebannt auf den Schlußzeilen haften. Plötzlich fragte er Roon: »Welches Vertrauen haben Sie zu unseren Rüstungen? Würden sie einer überraschenden Kriegsgefahr entsprechen?«
    »Absolut. Unsere Mobilisierung wird immer einen Vorsprung haben.«
    Moltke bekräftigte: »Von Aufschub verspreche ich mir nichts. Möglich, daß die Franzosen das linke Rheinufer anfangs überschwemmen, obschon ich daran zweifle. Unsere Bereitschaft würde sie aber bald überflügeln.«
    »Das Instrument des Heeres ist so, daß wir den Krieg mit Erfolg wagen können?«
    »Wir hatten nie ein besseres.« Moltke nickte ruhig.
    »Rüstet also Frankreich jetzt zum Kriege, so dürfen wir ihm keine Zeit lassen.«
    »Unser Vorteil würde sich abschwächen, Verschleppung würde schaden.« Kurze Pause. Blitzschnell schoß es durch das geniale Hirn: Jetzt oder nie! Kneifen wir, so verlieren wir Nimbus und Anziehung bei den Süddeutschen unwiderruflich. Nur gemeinsamer Nationalkrieg gegen den Erbfeind kann alle Schranken beseitigen, das als Waffengefährten vergossene Blut wäre ein Kitt für immer. Er erhob sich, ging an einen Nebentisch und faßte in wenigen Minuten die »Anheimstellung« des Königs in einer weit kürzeren Depesche zusammen, die er sofort verlas. Sein Bleistift strich, bis nur Kopf und Schwanz blieben.
    Moltke spitzte die Ohren wie ein Streitroß, das die Trompete hört. »Das hat einen ganz anderen Klang, vorher Schamade, jetzt Fanfare.« Otto erläuterte kühl: »Telegraphiere ich diesen Text an unsere Gesandtschaften und an die Zeitungen, so wird heute mitternacht ganz Paris brüllen wie ein gereizter Ochse. Das ist also der Krieg.« Beide Generale gerieten in freudige Bewegung, »herrlich! Das muß wirken!« »Geschlagen muß werden, sonst sind wir ohne Kampf geschlagen. Doch es ist wesentlich, die moralischen Imponderabilien für uns zu haben. Sowohl Deutschland als das Ausland müssen sich überzeugen, daß wir die Herausgeforderten und Angegriffenen sind. Noch sind wir letzteres nicht unbedingt, doch die gallische Überhebung wird keine Grenze scheuen, sich selbst den Ursprung aufzubürden, sobald wir sie öffentlich bloßstellen.«
    Roon rief bewegt: »Sie retten das Vaterland. Der alte Gott lebt noch und wird nicht zulassen, daß wir in Schande verkommen.« Moltke aber geriet in solche Heiterkeit, daß er getrost zu essen und zu trinken anfing. Er sah zwar nicht danach aus, als ob er Aufregung und Mühsal eines neuen furchtbaren Feldzuges überdauern könne. Aber er richtete einen freudvollen Blick nach oben, der durch die Zimmerdecke wohl die unerforschlichen unsichtbaren Mächte anreden sollte. Sein gemessener Gleichmut machte einer solchen Begeisterung Platz, daß er sich an die magere Brust schlug: »Führe ich in solchem Krieg unsere Heere, mag gleich nachher der alte Kadaver zum Teufel fahren.«
    Otto stand groß und ruhig da, ohne jede großmächtige Geste, in stillem Ernst. Die »Emser Depesche« ging in alle Winde, am folgenden Morgen wußte ganz Deutschland aus der »Norddeutschen Allgemeinen Zeitung«, daß der König »es ablehnte, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen und durch den Adjutanten vom Dienst sagen ließ, daß Seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzuteilen habe.«
    *
    Die große Explosion war da, das französische Pulver flog mit lautem Prasseln in die Luft. Eine solche Insulte hat die Große Nation noch nie auf der Backe geschmeckt. Obschon man sie in einigen Punkten noch unwahr übertrieb, hatte diesmal Gramont recht, wenn er dem britischen Gesandten Lord Lyons erklärte, dies sei eine wohlberechnete Beleidigung. Nicht um Mitternacht, wohl aber am nächsten Morgen wußte ganz Paris und raste, der schändliche Bismarck berühme sich öffentlich, den Vertreter Frankreichs die Treppe hinuntergeworfen zu haben. Umsonst versuchte Thiers

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