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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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in patriotischer Angst vor einer Kriegsimprovisierung, von der er sich nichts Gutes versprach, die Wogen zu glätten. Man habe ja erreicht, was man wolle, weiteres Ansinnen sei Provokation gewesen, Bismarck habe durch Veröffentlichung der Tatsache nur seine amtliche Pflicht erfüllt. »Das ist die Sprache Preußens, die Sie führen«, brüllte der alberne Klopffechter Granier de Cassagnac (selbstzugelegter Adel). Am folgenden Tage erwarb sich Gramont einstimmigen Beifall, indem er, eine Hand in der Hosentasche und sein schönes dummes Gesicht unbewegt, die Mobilisierung ankündigte. Sein Vorgesetzter Olivier erklärte, man gehe »leichten Herzens« los, Kriegsminister Leboeuf war »erzbereit«.
    Am gleichen Tage fuhren die drei Paladine und der Kronprinz nach Brandenburg, den König zu treffen, dem in Köln und, was wichtiger, in Hannover die wahre Stimmung des norddeutschen Volkes sich offenbarte. So stählendem Einfluß entzog der mannhafte Greis sich nicht. Er empfing seinen furchtbaren Minister mit mildem Ernst.
    »War es nötig, den Bruch in solcher Form zu vollziehen?«
    »Ich begreife Eure Majestät nicht. Ich erfüllte nur den allerhöchsten Befehl in ziemlich höflichen und gelassenen Ausdrücken. Wenn Frankreich eine unsühnbare Beleidigung herausliest, so ist dies seine Sache. Wer sich beleidigt nennen will , findet immer Gründe. Wir brauchen uns den Übermut nicht gefallen zu lassen, daß die sogenannte Sensitivität unserer Nachbarn sich alles herausnimmt, aber jede ruhige ernste Zurückweisung von Insulten als Majestätsbeleidigung der Großen Nation auffaßt.«
    »Ja, ja. Doch ich wünschte nicht, daß Sie meine Abwehr so aggressiv gestalten sollten.«
    »Wieso? Ich reduzierte das Telegramm durch Streichungen, ohne ein Wort hinzuzusetzen und zu ändern. Meine Form ist eigentlich milder als die scharfen Ausdrücke Eurer Majestät.«
    »Das war privat an Sie und das Übrige hypothetisch, es ließ den Weg zur fortgesetzten Verhandlung offen. Ich sage nicht, daß Sie mir dem Wortlaute nach vorgriffen, doch dem Sinne nach besteht immerhin ein Unterschied. Ihre amtliche Kundgebung klingt wie definitive Abschließung, etwa so, als ob man einem Gesandten seine Pässe zustellt, eher noch schlimmer.«
    »Wenn der Feind es so darstellt, so wird ihm Europa nicht recht geben, Deutschland erst recht nicht. Kaum wurde nach 9 Uhr abends mein Communiqué bekannt, als sich der Lustgarten mit einer riesigen Menschenmenge bedeckte, die außer sich vor Begeisterung für Eurer Majestät vornehme Haltung jubelte: Zum Rhein, zum Rhein!«
    Der König lächelte etwas bitter. So ist das Volk, immer maßlos, auch wo es seine eigenen Knochen zu Markte trägt. Daß der Gott Verantwortliche über diese Knochen mit peinlicher Sorgfalt wacht und jedes Blutopfer wie einen eigenen Schmerz und eine Anklage fühlt, macht man den Leuten nie begreiflich. Nur im äußersten Notfalle greift ein wahrer Herrscher zum Schwerte. Der Kronprinz seufzte aus tiefster Seele:
    »Soll das brave Volk wieder bluten? Wir hatten an einem gräßlichen Kriege genug, jetzt noch ein schwererer mit ungewissem Ausgange?«
    »Königl. Hoheit vergessen, daß unsere Ehre auf dem Spiele steht.«
    »Nun ja, auch mich empört der meinem Vater zugefügte Affront. Aber wenn wir unterliegen? Bei uns mag ja alle Welt kriegslustig sein, doch die Süddeutschen werden sich schwerlich für die Ehre des Königs von Preußen schlagen.«
    »Für die nationale Ehre«, berichtigte Otto ernst. »Soweit sich's bis heute überblicken läßt, werden wir eine angenehme Überraschung erfahren. Ich sehe Eure Königl. Hoheit schon als Führer der Bayern und Schwaben.«
    »Wie glücklich wäre ich dann!« rief der Kronprinz leuchtenden Auges. »Sei's wie's sei, unsere Zukunft geht nur über Frankreichs Leiche, wenigstens seiner übermütigen Suprematie. Ich kann nur wiederholen, ich habe den Krieg nicht gewollt.«
    Der König drohte leicht mit dem Finger, wandte sich aber dann ernst an Moltke und Roon. Die sofortige Mobilisierung wurde beschlossen. Moltkes Kampflust und Siegesfreudigkeit steckten sogar den Kronprinzen an. Die Begeisterung in Berlin spottete jeder Beschreibung. Ungeheure Massen jubelten den König immer wieder ans Fenster, bis er sich endlich durch den Adjutanten entschuldigen ließ, er müsse noch viel die Nacht durch arbeiten.
    Am folgenden Tage wußte man mehr: ganz Süddeutschland erhob sich wie ein Mann, alle Fürsten stellten sich unter Preußens Kommando. Selbst das

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