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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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solchen Ausgleich verzichten. Wir tragen gar kein Verlangen danach, unsere süddeutschen Brüder uns zu amalgamieren, und Belgiens Neutralität ist uns heilig.« Loftus nickte befriedigt und depeschierte in solchem Sinne an das Londoner Kabinett, das geradeso wie er durchaus nicht freundlich auf diese Erhebung eines neuen Deutschland schaute. Ein Sieg Napoleons über Deutschland wäre den Insulanern eher erwünscht gewesen, trotz der heftigen deutschen Sympathien gebildeter Kreise unter Vorantritt Carlyles. Aber daß Napoleon noch mehr nach Belgien als nach dem Rheinufer begehrte, empörte den edlen Britenstolz, soll heißen die ausschließliche insulare Selbstsucht, die jedes Erstarken einer anderen Seemacht verhindern will. Antwerpen war in Napoleons I. Hand eine stete Drohung gewesen, wäre es jetzt erst recht in Napoleons III. Besitze. Dies schlug ein und die englische Presse lieh ihren wertvollen Beistand durch Schimpfen auf den gekrönten Dieb. Otto täuschte sich aber keinen Augenblick darüber, daß die Stimmung rasch umschlagen werde, sobald die deutschen Heere zu siegreich wären. Ob die von Preußen bewiesene Freundlichkeit beim Sezessionskriege die Yankees dankbar genug erhalten werde, um sich an Frankreichs Niederlage zu freuen, schien ihm auch zweifelhaft. Der bekannte Unionsgeneral Philipp Sheridan meldete sich soeben telegraphisch an, ob er im Hauptquartier den Krieg mitmachen dürfe, was gern bewilligt wurde. Aber da Paris als Absteigequartier aller reichen Amerikaner ihnen ans Herz gewachsen, so würde wohl auch transatlantisch ein Unglück Frankreichs sentimentales Mitleid auslösen. Deutschlands Unglück würde dagegen alle angelsächsischen Vettern kalt lassen. Die alle menschlichen Dinge regierende Lüge arbeitet auch hier in dem unbegreiflichen Nimbus, der bei allen Outsidern das selbstsüchtigste, brutalste, eitelste Volk Europas umstrahlt, auf welchen Schwindel ja auch der am meisten betroffene deutsche Michel immerdar hereinfiel. Selbst nach den schlimmsten Erfahrungen wird er seinen Haß auf andere abladen, den Hauptschuldigen Frankreich aber als ein liebenswürdiges ritterliches Fabelwesen anschmachten. Michel bleibt unkurierbar, wenn nicht ein Otto Bismarck, frei von allen Täuschungen, ihm seine Wahnvorstellungen austreibt.
    Der russisch« Militärbevollmächtigte Graf Kutusow sprach dem Minister Mut zu. »Ganz Rußland steht auf Ihrer Seite und wünscht, daß Sie die Herausforderer abtun. Ein schwer Stück Arbeit wird's ja sein. Die Mitrailleusen sind mörderisch. Die Franzosen haben auch große Generale, den berühmten Mac Mahon und den tiefen Strategen Bazaine. Doch ich vertraue auf Ihre gerechte Sache und Ihr famoses Zündnadelgewehr.«
    Daß das Chassepot eine unendlich bessere Waffe sei, glaubte und ahnte niemand, ebenso wenig umgekehrt, daß die deutsche Artillerie viel gediegener sei als die französische. Otto entnahm allen Äußerungen von englischer und russischer Seite, daß man mit stiller Schadenfreude dem Kampfe entgegensah als gegenseitiger Schwächung der zwei großen Militärmächte, wahrscheinlich mit einigem Übergewicht Frankreichs, was dann eine biedere Intervention Europas nachträglich so ausgleichen werde, daß keine Partei einen wirklichen Vorteil hatte. Otto gab sich nicht der Täuschung hin, daß Rußland, vielleicht mit Ausnahme des Zaren selber, einen wirklichen Sieg Deutschlands mit Wohlwollen hinnehmen werde. Jeder mißgönnt dem anderen jeden Erfolg, niemand will dem anderen wohl, das ist die wahre Oesinnung der Völker und der Menschen.
    Doch gleichviel, man schmiedet das Eisen, solange es warm ist. Mit grimmigem Lächeln erinnerte er sich, wie Benedetti mal seinen im Vorzimmer stehenden Helm ergriff und ihn neckisch aufzusetzen suchte, aber eiligst von dem Beginnen abstand: »Sein Kopf ist entschieden stärker als der meine.« Infelix puer, impar congressus Achilli. –
    Das Hauptquartier rollte nun nach Mainz ab, und Otto hatte dabei das Vergnügen, unterwegs im Kupee ein unangenehmes Gespräch mit anzuhören. Durch eine breite, unbemerkt gebliebene Öffnung hörte er die Stimme des Generalquartiermeisters Podbielski im Gespräch mit Roon: »Diesmal ist dafür gesorgt, daß uns so was nicht wieder passiert.« Was der unfreiwillige Ohrenzeuge aus dem Nebenkupee sonst noch hörte, ehe das Rasseln des Schnellzuges die Worte übertönte, genügte zum Verständnis. Er sollte nie mehr zu Militärberatungen zugezogen werden, der Generalstab hatte genug davon,

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