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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Korpsgeneral mehr oder minder, von wirklicher Oberleitung spürte man nichts.
    Sein knurrender Magen verbesserte auch nicht gerade seine Verdüsterung.
    Das Hauptquartier ritt um ½ 3 Uhr nachts von Rezonville ab. An Frühstück war nicht zu denken, und auch später hatte man nur Kommißbrot und Speck. Gegen Abend machte der Hunger sich geltend, bisher durch Aufregung gedämpft. Endlich trieb Otto bei einem Marketender fünf Eier auf, die er mit – sage und schreibe – 20 Franken bezahlen mußte. Da er sie gern roh aß, klopfte er zwei davon an seinem Degenkauf auf und verschlang sie. Mit den anderen drei ritt er zu General Sheridan und Graf Lehndorf: »Brüderlich teilen, jedem ein Ei, dem braven Schweppermann nicht zwei.« Daß er die zwei anderen schon intus hatte, verschwieg er diplomatisch, was man ihm nicht verübeln darf, sintemal er doch das Stück mit vier Franken bezahlte und ein übriges tat, den anderen Hungernden etwas davon abzugeben. Erst spät am anderen Tage bekam er etwas Warmes in den Magen, er begegnete Goeben, der ihm eine Erbssuppe verabreichte. Unterwegs stieß ihm ein Soldat auf, der ein Huhn trug. Er kaufte es ab und traf dann wieder einen Marketender, der ein gebratenes Huhn anbot. Das kaufte er und überließ ihm das andere Huhn. »Geben Sie mir's gebraten wieder, wenn wir uns wiederschauen. Wenn nicht, so hoff' ich, Sie werden es mir in Berlin zurückerstatten.« Ach, Roß und Reiter sah man niemals wieder und der gebratene Franzosenhahn trotzte den kühnsten Anstrengungen der Zähne, seine Zähigkeit übertraf weit die der französischen Infanterie, ein gallischer Hahn hat auch seinen Patriotismus, gebraten oder nicht!
    *
    Das Unglaubliche wurde wirklich wahr, Bazaine ging nach Metz hinein, obschon er immer noch drei Tage nach der Schlacht über Diedenhofen entweichen konnte. Am 20. morgen trafen der Kronprinz und Blumenthal ein, die durch Major v. Hahnke und Hauptmann Lenke, beide ins Hauptquartier entsendet, den Ausgang der Schlacht erfuhren. Der Kronprinz wünschte vor allem den Kanzler zu sprechen, ob der sonstige politische Horizont klar sei, was dieser bejahte. Der König dankte Blumenthal herzlich: »Ich freue mich unendlich über die Siege des Kronprinzen, das ist von unendlicher Bedeutung für seine Zukunft.« Er sah nervös und angegriffen aus und klagte: »Wir haben 900 Offiziere verloren, darunter so viele von der Garde, es fielen manche, die mir die liebsten waren.« Mit einem Anfluge von Gereiztheit, bei ihm ganz ungewöhnlich, fuhr er los: »Meine Generale scheinen alles vergessen zu haben, was sie im Manöver lernten. Wie toll drauflos gegangen! Solches Schlachten können wir nicht aushalten.« Otto fühlte damit sein eigenes Urteil bestätigt. »Wir zernieren also jetzt Bazaine, aber Mac Mahons Entsatzarmee macht mich besorgt.« Moltke, sehr ruhig, versicherte mit Bestimmtheit, daß er ohne Besorgnis sei, Blumenthal pflichtete bei. Nebenbei beschwerte er sich zu Otto über die vielen Prinzen und Johanniter im Lager. –
    Am Abend soupierte er mit Sheridan und dessen amerikanischen Begleitern, sprach flüssig Englisch, trank Champagner und holte den Nordstaatlergeneral aus, welchen Eindruck ihm die preußische Kriegführung mache. Tatsächlich kannte Sheridan nur das wilde Morden in den Tennessee-Schluchten und spätere heftige Treffen bei Lees Untergang. Die großen Schlachten bei Frederiksburg, Chanzelorsville, Gettysburg, Spotsylvania und in der Wildnis hatte er nicht mitgemacht, nichtsdestoweniger tat er sich sehr wichtig.
    Am 21. August befand sich an der Hoftafel in Pont-à-Mousson auch Sheridan, den der König über Grants Operationen bei Viksburg befragen wollte, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der jetzigen Lage zu haben schienen. Sheridan als verwöhnter Angelsachse staunte über die Einfachheit des Mahles, das nur aus Suppe, Braten und zwei Gemüsen bestand nebst gewöhnlichem Tischwein. Da niemand sonst Englisch sprach zum Staunen des Yankee, der, wie viele naive Engländer an die allgemeine Sprachkunde der Deutschen glaubte, so machte Bismarck den Dolmetscher. Daß ein Yankee kein Wort Deutsch versteht in einem Lande, wo unberechenbar vielen Einwohnern deutsches Blut in den Adern rollte, – das – nun, das versteht sich von selbst!
    »Wahrscheinlich wird die Armee von Chalons als Entsatzheer für Metz gedacht sein«, begann der König. »Ihr General Grant kam bei Belagerung von Viksburg in Verhältnisse, die unserem Uferwechsel an der Mosel gleichen.

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