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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Verständnis, wie es einem begabten Militär entspricht, der im Äußeren oder Inneren das Staatswesen nur als Machtfrage behandelt. Scharfblickend, scharfdenkend, besonnen und klar, hatte er sogar schöpferische Triebe, soweit es sich um innere Heeresfragen drehte. Er war das Ideal eines Kriegsministers und übertraf den französischen Kriegsminister Niel, der gleichfalls Reformen erstrebte, bei weitem. Ein ausgezeichneter, schlagfertiger Redner, machte er seine schwertscharfe und manchmal böse Zunge bei den liberalen Dauerrednern gefürchtet. Nur blieb dieser entschieden geistvolle Mann ganz im Bannkreis des Offiziertums, entwand sich nicht mal der Geringschätzung des Militärs für Zivilisten. Heimlich gedacht, fing ihm der Mensch beim Offizier an.
    Hier zeigte sich, daß eine einseitig wissenschaftliche Fachbildung gar nicht genügt, einen Menschen innerlich durchzubilden. Ein solcher Spezialismus bleibt dürr und unfruchtbar, weil nur den Verstand, und zwar nur nach bestimmter Richtung, erziehend. Als Charakter hatte er alle guten Eigenschaften eines altpreußischen Offiziers: Ehrgefühl, Pflicht- und Königtreue, auch Treue im höheren Sinne, ehrenfeste Lauterkeit in allen materiellen Angelegenheiten, untadelige Reinlichkeit im Privatleben. Nur hatte er sich als militärischer Vorgesetzter einen Jähzorn angelernt, der keinen Widerspruch von Schwächeren vertrug. Dem König trat er mit männlichem Freimut gegenüber, obschon dieser ihm als der Gesalbte des Herrn galt. Mit seinem größeren Genossen und Leiter verkehrte er treu und herzlich, ihm in großen Fragen willig Untertan. Das ehrt sowohl seinen Verstand als sein Gemüt. Das intuitive Verständnis des Königs für die dämonische, ihm selbst so fremde Genialität hat Roon aber wohl kaum gelernt. Seine Verdienste um den Staat rechtfertigen indessen, daß er als geschichtliche Figur in die Unsterblichkeit einging. Jedenfalls hatte es etwas krampfhaft Zwerchfellerschütterndes, die Fortschrittspartei gegen öden, blöden Militarismus, geistige und sittliche Minderwertigkeit des Offizierstandes deklamieren zu hören, während just der Vertreter der Armee, der diesen braven Deklamatoren handgreiflich im Landtag gegenüberstand, an scharfem Geist und in gewissem Sinne auch an Charakter sie alle weit überragte. Er sprach und schrieb ein viel besseres Deutsch als diese von »Bildung« platzenden Professoren, Juristen und Berufsparlamentarier samt ihrer geschwollenen Presse. –
    »Ich habe dem Hohen Hause im Allerhöchsten Auftrage eine Botschaft zu übermitteln.« Der neue Premier, von seiner durch ein Gitter vom sonstigen Abgeordnetensaal abgesperrten Ministerbank sich in ganzer Länge erhebend, verkündete die Zurückziehung des Staatshaushalts für 1863, mit andern Worten, das interimistische Verfügen über alle Steuern und Einnahmen ohne verfassungsmäßige Genehmigung der Kammer. Er motivierte dies in der höflichsten Form, die aber wegen der klaren Festigkeit des Inhalts um so mehr bei den Unentwegten Ärgernis erregte. Am folgenden Tage erschien er in der Budgetkommission und verhandelte in der aufgeknöpftesten, ungeniertesten Manier einer Staatsmannschaft in Hemdärmeln. Dem neben ihm sitzenden Vizepräsidenten der Kammer, v. Bockum-Dolffs, reichte er plötzlich einen Olivenzweig hin, den er aus seiner Brieftasche zog: »Den pflückte ich in Avignon, um ihn der Fortschrittspartei als Friedenszeichen anzubieten. Jetzt sehe ich leider, daß die Zeit dazu noch nicht kam.«
    Er sah nur in ärgerliche und erregte Gesichter. Die schöne Geste mit dem Ölzweig machte sich gut, ob schon er ihn weder selbst gepflückt hatte, noch gar für die Volkspartei. Jetzt legte er aber vertraulich los:
    »Meine Herren, der Konflikt wird zu tragisch aufgefaßt, und die Presse tut ein übriges, ihn tragisch aufzubauschen. Die Regierung wünscht keinen Kampf. Sie böte gern die Hand dazu, die Krise auszugleichen, wenn es mit Ehren geschehen kann. Wir müssen uns gegenseitig goldene Brücken bauen. Solche kleinen Verfassungsstreitigkeiten müssen mit allseitiger Schonung behandelt werden.«
    »Es handelt sich um das wichtigste Recht der Landesvertretung«, fiel Professor Virchow mit hoher, krähender Stimme ein.
    »Und um das wichtigste Recht der Krone. Der betreffende Artikel 99 der Verfassung spricht nur von vorgängiger Veranschlagung des Etats, nicht von Feststellung. Das Wort Budgetbewilligung kommt überhaupt nicht vor, von dem Sie so reichlich Gebrauch machen. Ich

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