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Bismarck 02

Bismarck 02

Titel: Bismarck 02 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Verdacht zu haben.« Otto ahnte schon. »Ich ging nicht, ich wurde befohlen. Auch habe ich nichts besprochen, weil ich mich dazu nicht berechtigt hielt vor Rücksprache mit Eurer Majestät. Ich sah gar kein Bedürfnis, mit Seiner Hoheit zu konferieren.«
    Der König schien angenehm erstaunt. »Ich hatte vorausgesetzt, Sie wüßten – oder vermuteten wenigstens – und möchten sich deshalb meinem Nachfolger nähern.«
    »Nachfolger? Majestät!«
    Es war ein Schreckensruf aus gepreßtem Herzen. Das tat dem König wohl. Er stemmte die Hand auf einen Marmortisch und nahm eine militärische Haltung an. »Ich trage mich mit dem Gedanken, mein von Gott verliehenes Amt niederzulegen, mit einem Wort, zu abdizieren.« Er wies auf ein vor ihm liegendes Handschreiben in Aktenform. »Das ist die Abdankungsurkunde, motiviert aus der unhaltbaren Lage.«
    »Majestät! Das wäre der Todesstoß für Preußen, das größte Unheil, das uns treffen könnte. Und da Sie nach Ministern suchen, die den Kampf aufnehmen, ich bin ja da, und Roon dazu, wir beide werden das Kabinett schon vervollständigen.«
    »Mannhaft gesprochen. Und Sie wollen für die Militärreorganisation fechten?«
    »Bis zum äußersten.«
    »Auch gegen alle Majoritätsbeschlüsse? Ja? Nun gut, dann ist es meine Regentenpflicht, mit Ihnen den Kampf fortzuführen.« Er fügte mit ruhiger, fester Stimme hinzu: »Ich abdiziere nicht.« Otto atmete auf. »Begleiten Sie mich zu einem Spaziergang in den Park, ich werde Ihnen etwas zeigen.«
    An einer abgelegenen Stelle des Babelsberger Parks zog er ein Konvolut hervor, das acht Seiten Manuskript umfaßte. Otto erkannte die enggedrängte Handschrift des Königs. Er las. Es war ein ausführliches Regierungsprogramm von entschieden liberaler Schattierung, mit deutlicher Spitze gegen reaktionäre Bestrebungen. »Nun, was sagen Sie dazu?«
    »Ich finde darin einen Hauch von –« er wollte sagen: Ihrer Majestät der Königin, sagte aber rasch: »Kompromißpolitik.«
    »Ohne Kompromisse wird es nicht abgehen. Konservative Durchgänger kann ich nicht brauchen.« Das ging auf seinen neuen Erwählten.
    »Es handelt sich nicht mehr um Konservativ und Liberal, sondern um Königtum oder Parlamentswillkür. Letztere muß allezeit und in allen Fällen abgewehrt werden, sei es auch mit militärischer Diktatur.«
    Der König erwärmte sich zusehends. »Das sind kräftige Worte, und Sie sind der Mann, danach zu handeln. In allem werden wir aber wohl kaum zusammengehen.«
    »Da werde ich ehrerbietig meine abweichende Meinung ausdrücken, aber tun, wie Eure Majestät befehlen. In dieser Lage habe ich keinen anderen Willen als den, mit dem Könige lieber unterzugehen, als ihn im Stich zu lassen.« Beide hochgewachsenen Herren sahen sich an. Aus dem weisen, ruhigen Blick des Königs sprach gerührte Anerkennung, aus den sonst so harten und scharfen Augen Ottos eine so aufrichtige Anhänglichkeit wie aus Hundsaugen. Die Persönlichkeit dieses durch und durch vornehmen und männlichen Herrschergreises flößte allen, die ihn näher kannten, solche unmodernen Stimmungen ritterlicher Hingebung ein.
    »Halt, Majestät!« König Wilhelm hatte das Schriftstück zerrissen und wollte es soeben von der Brücke in eine trockene Schlucht hinabwerfen. »Papierstücke mit so bekannter Handschrift würden sicher Liebhaber finden.« Der König nickte und steckte das Manuskript ein. »Ich werde sie meinem Kamin anvertrauen. Heut vollziehe ich die Unterschrift zu Ihrer Ernennung.«
    *
    Der sich in Frankreich wie ein wurzel- und heimatlos verbannter Flüchtling vorkam, vor widerwärtigen Möglichkeiten Reißaus nehmend, trug also jetzt die Verantwortung für Preußens Leitung. Die Allerhöchste Kabinettsorder lag veröffentlicht vor: »Nachdem Prinz Adolf Hohenlohe-Ingolfingen auf sein wiederholtes Gesuch von dem Vorsitz im Staatsministerium entbunden, habe Ich den Wirklichen Geheimen Rat v. Bismarck-Schönhausen zum Staatsminister ernannt und ihm den interimistischen Vorsitz des Ministeriums übertragen. Wilhelm. 23. September 1862.«
    Otto blickte auf das ihm eingehändigte Original. Wird das nun ein denkwürdiges Aktenstück sein, oder werde ich auch nur als Eintagsfliege über die Bühne huschen? So weit hätten sie mir! sagt der Berliner. Man hat mir ein Netz gelegt und mich eingefangen. Den Irrstern haben sie verankert als Planeten, doch er wird wohl immer nur ein »Trabant« bleiben.
    »Ich bin gespannt auf den ersten Zusammenstoß«, äußerte Roon. »Sie

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